Somms Memo
Ron DeSantis greift Donald Trump an. Es wurde Zeit.
Ron DeSantis und Donald Trump. Oder gute Zeiten, schlechte Zeiten.
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Die Fakten: Zum ersten Mal hat Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, Donald Trump öffentlich kritisiert.
Warum das wichtig ist: Dass DeSantis gegen Trump antreten will, um Präsident der USA zu werden, ist klar. Aber wie? Er muss ihn angreifen, angreifen, angreifen.
Wenn es um Ron DeSantis geht, hat Donald Trump, ehemaliger US-Präsident, schon einige Beleidigungen ausprobiert, doch die Tatsache, dass er unablässig neue erfindet, spricht nicht für deren Qualität. Noch arbeitet Trump hart daran:
- Zum Beispiel nennt er ihn «Ron DeSanctimonious», was ein schwieriges Wort für «scheinheilig» ist – das die meisten Amerikaner kaum verstehen. Ohne dass es den Zuhörern bewusst ist, schwingt natürlich etwas Anti-katholisches mit. Das lateinische Wort klingt irgendwie römisch-katholisch. Ron DeSanctis ist ein gläubiger Katholik, Trump dagegen – wie traditionell die meisten Amerikaner – Protestant
- Neuerdings bezeichnet er ihn auch als «Meatball Ron», Fleischkügelchen-Ron, was sich auf sein etwas feistes Gesicht beziehen mag. Gleichzeitig ist Meatball ein anti-italienisches Schimpfwort in Amerika. «Tschingg» auf Englisch. Alle acht Urgrosseltern von DeSantis sind in Italien geboren und Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA eingewandert. Würde DeSantis zum Präsidenten gewählt, wäre er der erste Italo-Amerikaner, dem das gelingt. 17 Millionen Amerikaner, so wird geschätzt, sind zum Teil oder ganz italienischer Herkunft
Noch vor wenigen Jahren klang das ganz anders. Als DeSantis sich 2018 in Florida zur Wahl stellte, sagte Trump:
- «Ron DeSantis ist ein brillanter junger Leader. Yale und dann Harvard, er wäre ein grossartiger Gouverneur von Florida. Er liebt unser Land. Er ist ein wahrer Kämpfer»
- Inzwischen haben sich die einstigen Hymnen in Verleumdungen, Flüche und oft recht primitive Unterstellungen verwandelt. Vor kurzem behauptete Trump, DeSantis habe minderjährige Mädchen oder gar Buben sexuell missbraucht. Belege? Um Himmels Willen. Trump Hardcore
Was niemanden überrascht: Trump will noch einmal Präsident werden, und DeSantis auch. Dabei gilt der sehr tüchtige Gouverneur als Trumps gefährlichster Rivale, wenn es um die Nomination als Kandidat der Republikaner geht. Noch hat DeSantis seine Absichten gar nicht öffentlich gemacht. Aber alle rechnen damit. Auch Trump.
Wenn sich hier etwas bestätigt, dann das Gesetz der asymmetrischen Kriegsführung: Je mehr Respekt Trump vor einem Gegner hat, desto respektloser redet er über ihn.
Es ist ein Kompliment.
Wie aber damit umgehen? Monatelang hat Ron DeSantis den Bombenhagel über sich ergehen lassen, als sähe er weder Feuer noch hörte er einen Knall. Er ignorierte den Rüpel.
No more.
In einem bemerkenswerten Interview mit dem britischen Journalisten Piers Morgan hat Ron DeSantis auf Fox News letzte Woche für Aufsehen gesorgt, weil er sich zum ersten Mal von jenem Mann distanzierte, der nach wie vor als der beliebteste und verhassteste Republikaner aller Zeiten gilt:
- Worin er sich denn von Trump unterscheide? «Nun, ich denke, es gibt ein paar Dinge. Mein Ansatz für Corona war anders. Ich hätte jemanden wie Fauci sofort gefeuert. Ich glaube, sein Ego ist viel zu mächtig angeschwollen, er hat viel Schaden angerichtet»
- «Ebenso ist mein Führungsstil ein anderer. Kein tägliches Drama.»
- «Schliesslich achte ich mehr auf die Personalpolitik. Ich bevorzuge Leute in der Verwaltung, die tun, was das Volk will, und nicht, was sie selber wollen. Ich sage den Beamten: Wenn Du eine eigene Agenda hast, musst Du gehen.»
Selbstverständlich trifft DeSantis damit einen wunden Punkt: Wenn unter Trump auch täglich ein Höllenlärm aus dem Weissen Haus zu vernehmen war, folgten den Worten oft keine Taten. Drama statt Resultate.
- Trump versäumte es, die Verwaltung von Leuten zu befreien, die ihn offen oder heimlich bekämpften
- Den «Deep State», wie er das nannte, der darin besteht, dass eine ungewählte Elite in Washington (oder in Bern, Berlin oder Brüssel) tut, was ihr beliebt, ohne sich von den Ansichten der Wähler behelligen zu lassen, griff er zwar oft an, liess ihn aber dann doch gewähren
Antony Fauci, der amerikanische Corona-Zar, steht dafür. Seine restriktive Politik übernahm Trump – und wurde auch deshalb nicht wiedergewählt – während DeSantis als Gouverneur in Florida das Gegenteil dessen unternahm, was Fauci empfahl. Der Erfolg gab ihm recht. Florida kam viel besser durch die Corona-Zeit als die meisten US-Bundesstaaten.
- So gesehen war Trump ein Maulheld
- Er sah es richtig, was die Deformationen des «Deep States» anbelangt, tat aber das Falsche dagegen, nämlich so gut wie nichts
Wenn DeSantis gegen Trump eine Chance haben will – noch führt Trump in fast allen Umfragen unter den Republikanern –, dann sollte er es genau so machen.
- Er muss sich von Trump lösen und ihn angreifen. Alte Loyalitäten hin oder her
- Zumal Trump das auch nie tut. Rücksicht? Ein Fremdwort, das ihm fremder ist als «sanctimonious»
Das lehrt die Geschichte. Ted Cruz zum Beispiel, der Senator von Texas, liess sich 2016 ohne Unterlass von Trump beschimpfen – auch Cruz war damals zum Präsidentschaftswahlkampf angetreten.
- Wenn Trump sich über seine Frau lustig machte, wies Cruz das sachlich, sehr anständig zurück, als befände man sich in einem Weiterbildungsseminar mit Freiherrn von Knigge
- Wenn Trump ihn als Lügner beleidigte, indem er den Spitznamen «Lyin’ Ted» erfand, ging er gar nicht darauf ein, als wäre das unter seiner Würde
Das war es – doch der Wähler sah etwas anderes: Einen Mann, der sich nicht wehrt, also einen Schwächling.
So gesehen muss DeSantis noch zulegen. Als Piers Morgan ihn auf die diversen Trump’schen Wortkreationen ansprach, reagierte er mit Humor (das war gut), aber ohne zurückzuschlagen (das war suboptimal):
- «Ich weiss nicht, wie ich ‹sanctimonious› buchstabieren soll. Ich weiss nicht wirklich, was es bedeutet, aber ich mag es, es ist lang, es hat viele Vokale. Er kann mich nennen, wie er will, solange die Leute wissen, dass ich ein Gewinner bin».
Und da hat er recht. Alle wissen, dass er Joe Biden schlagen kann, wogegen Trump fast ganz sicher gegen Biden verliert.
Oder wie es der sanfte Mahatma Gandhi schon sagte:
«Zuerst ignorieren sie Dich, dann lachen sie über Dich, dann bekämpfen sie Dich und dann gewinnst Du.»
Ich wünsche Ihnen einen perfekten Wochenstart
Markus Somm