Somms Memo

Robert F. Kennedy Jr. – oder der Mann, der Joe Biden das Fürchten lehrt

image 31. Mai 2023 um 10:00
RFK Jr., Maverick und Kandidat. (Bild: Keystone)
RFK Jr., Maverick und Kandidat. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: Robert F. Kennedy Jr., Nachkomme einer berühmten Familie, will Präsident der Vereinigten Staaten werden. Er ist Demokrat. Warum das wichtig ist: Gemäss Umfragen könnte er Joe Biden in Schwierigkeiten bringen – obwohl oder weil er sehr links steht.


Wenn man wissen will, in welchem seltsamen, wenn nicht verzweifelten Zustand sich die Demokratische Partei der USA befindet, dann muss man sich die Kandidatur von Bobby Jr. Kennedy näher ansehen:
  • Bobby Jr., obwohl ein Kennedy, ist ein politischer Aussenseiter der esoterischen Sorte
  • Manche seiner Ansichten sind verschroben (die Ölindustrie beherrscht das ganze Land), alt-links (noch höhere Steuern für Milliardäre) oder einfach dumm (Impfen führt zu Autismus)
  • Andere sind jedoch unbequem – gerade für die Demokraten: So zählte er zu den härtesten linken Kritikern der offiziellen Corona-Politik, die von den Demokraten gepriesen worden war, als handelte es sich um das Evangelium; ebenso äusserte er Zweifel am Engagement der USA für die Ukraine («Welche nationalen Interessen verteidigen wir da?»)

Seltsam und verzweifelt I: Weil unter normalen Umständen einer wie RFK Jr. sich kaum je als Kandidat beworben hätte, selbst wenn er ein Kennedy ist – zumal seine Partei, die Demokraten, das Weisse Haus schon besetzen und dessen Bewohner Joe Biden eine zweite Amtszeit anstrebt.
  • RFK Jr. hat noch nie ein politisches Amt ausgeübt (Er ist Umweltanwalt)
  • und streng genommen ist er, 69 Jahre alt, längst pensioniert (was heute in der amerikanischen Politik allerdings nicht mehr viel heissen will)

Doch die Umstände sind nicht normal. Joe Biden ist keine 69 Jahre alt, sondern zählt 80 Jahre – und man sieht es. Wenn er spricht, weiss man nie, wann er sich daran erinnert, was er eigentlich hatte sagen wollen.  Selbst viele Demokraten fragen sich, ob er noch einmal einen Wahlkampf durchsteht. Doch sie fragen sich das nur im Privaten, selten öffentlich.
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Seltsam und verzweifelt II: Weil Bobby Jr. die Demokraten und ihren amtierenden Präsidenten links überholt – mit Stellungnahmen, die eindeutig der DNA der Demokraten entsprechen, aber aus aktuellem Anlass nicht mehr sehr gefragt sind:
  • Um Corona einzudämmen, hatten die Demokraten Einschränkungen der Freiheitsrechte in Kauf genommen, wie das in den 1960er Jahren wohl undenkbar gewesen wäre – jener legendären Epoche der Kennedys, als JFK, der Onkel des heutigen Kandidaten, als Präsident amtierte (1961-1963) und RFK, sein Vater, als Justizminister(1961-1964). Die Kennedys gelten als Helden der Civil Rights (ob für Schwarze oder Weisse)
  • Seit den gleichen 1960er Jahren versteht sich die Demokratische Partei als Champion der Anti-Kriegs-Bewegung. Robert F. Kennedy (der Vater) hielt 1968 eine aufsehenerregende Rede gegen den Vietnam-Krieg, wo er diesen als «militärisch nicht zu gewinnen» bezeichnete. Damals wollte er ebenfalls Präsident werden, und um seine Wahlchancen stand es gut; wenig später wurde er an einer Veranstaltung in Los Angeles erschossen (wie sein Bruder JFK zuvor)

Mit anderen Worten, RFK Jr. bewegt sich in den besten Traditionen der Demokraten – und dennoch geht er jetzt dem Demokratischen Establishment auf die Nerven wie kaum jemand anders, ausser: Donald Trump. Und dieser böse Geist, der aus Sicht der Demokraten vier Jahre lang zu Unrecht das Weisse Haus heimgesucht hatte, bevor Biden Amerika von ihm erlöste, ist auch der Grund, warum Bobby Jr.s Wortmeldungen nun unerwünscht sind – nicht zu reden von seiner Kandidatur.
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Denn die Demokratische Partei hat sich in den letzten Jahren zu einem Pawlow’schen Hund verwandelt. Alles, was Trump sagt oder denkt oder macht, ist falsch, alles, was das Gegenteil dessen zu sein scheint, ist richtig.
  • Weil Trump zuerst skeptisch über Corona sprach, wurden die Demokraten sogleich zu Corona-Apokalyptikern, die Lockdown, Masken und Impfzwang verteidigten, als hätte das schon unter Roosevelt im Parteiprogramm gestanden. Je unliberaler, je bornierter, je autoritärer die Behörden die Bürger vor Corona zu schützen versuchten – desto besser
  • Weil Trump angeblich mit dem russischen Präsidenten Putin unter einer Decke steckte (was nie bewiesen wurde, sondern sich inzwischen zweifelsfrei als üble Intrige der Hillary-Clinton-Kampagne erwiesen hat), sahen sich die Demokraten gezwungen, den Krieg gegen Russland unverzüglich und vorbehaltlos zu unterstützen. Zwar liegen sie in der Sache richtig, doch über das Motiv kann man sich streiten. Sie hatten sich so sehr in die Trump-Putin-Komplizenschaft verbissen, dass ihnen gar nichts mehr anderes übrigblieb

Dass Bobby Jr. schliesslich das Sakrileg beging, auch die Corona-Impfung in Frage zu stellen, machte ihn vollends zum Ketzer, dem es, als die Demokraten ihn auf den Scheiterhaufen warfen, nichts mehr half, dass er dabei laut schreiend Big Oil und Big Pharma verdammte, bevor er verbrennen sollte.
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Natürlich verbrannte er nicht, sondern macht nun Joe Biden das Leben schwer. Vor kurzem kündigte er seine Kandidatur an. Umfragen zeigen, dass er bei den Wählern besser ankommt als der Präsident:
  • 44 Prozent haben eine positive Meinung von ihm, bloss 40 Prozent sagen das Gleiche über Biden
  • Vor allem stösst er auf weniger Gegner. Während 58 Prozent der potenziellen Wähler Biden geringschätzen, sind es nur 22 Prozent, die RFK Jr. ablehnen. Für einen «Maverick», wie ihn die Amerikaner auch nennen, einen einsamen Einzelgänger, keine schlechte Note
  • Last but not least scheint derzeit kein Kandidat so beliebt wie er – kein Demokrat und kein Republikaner

Ob er je zum Präsidenten wird? Kaum. Aber ausgeschlossen ist nichts. Zumal der Name Kennedy in Amerika wie Royalty klingt. Irgendwie, so fühlen die Menschen, haben sie doch Anspruch auf dieses Amt. Oder nicht? Die Familie selbst zeigt sich etwas betreten. Man geniert sich für den familieneigenen Kandidaten mit den alt-linken oder skurrilen Ansichten, dessen Ambitionen man deshalb nicht unterstützt. Ausserdem lebt man bestens mit Biden – der für die Kennedys auch gut gesorgt hat, vielleicht mit Bedacht. Wenn eine Familie Grund hat, Biden zu wählen, dann die Kennedys. So gut wie die Hälfte der Familie steht auf der Gehaltsliste von Biden, wie der Boston Herald kürzlich feststellte:
  • Joe Kennedy III, ehemaliger Kongressabgeordneter, ist von Biden eben erst zum Sondergesandten für Nordirland ernannt worden
  • Vicki Kennedy, die Witwe des verstorbenen Ted Kennedy, ist Botschafterin in Österreich
  • Caroline Kennedy, die Tochter von JFK, ist Botschafterin in Australien
  • und Kathleen Townsend Kennedy, die Schwester von Robert Kennedy (Sr.), ist Anwältin im amerikanischen Arbeitsministerium

So viele Ämter erhielten sie wohl selbst dann nicht, wenn einer der Ihren, wie RFK Jr., im Weissen Haus sässe. Robert F. Kennedy Jr. ist kein Politiker, sondern ein Mann mit einem Mut, der so hoffnungslos scheint, dass er wohl gerade deshalb so vielen Amerikanern Hoffnung macht. Wenn es ein Vorbild für diesen realistischen Utopismus gibt, dann ist es der Vater, Robert F. Kennedy, der zum Thema einmal sagte: «Einige Menschen sehen die Dinge so, wie sie sind, und sagen warum. Ich träume von Dingen, die es nie gab, und sage, warum nicht?» Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag Markus Somm

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