Printausgabe

Ritzmann erklärt die Welt: Lange Autofahrten

image 17. Juli 2023 um 07:00
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Obschon die gesellschaftliche Akzeptanz des motorisierten Individualverkehrs merklich abnimmt, fährt selbst heute noch eine Vielzahl an Menschen mit dem Auto in die Ferien, vielleicht nach Italien, nach Frankreich oder sogar nach Spanien. Es liegen ja reichlich schöne Länder herum in Europa, die Auswahl ist immens.

Niederbipp – Rimini

Längere Reisen per Auto wollen natürlich möglichst geschickt geplant sein, und exakt hier kann die Wissenschaft mit fundierten Erkenntnissen Hand bieten. Ausgangslage unseres Beispiels ist eine Fahrt von Niederbipp nach Rimini. Die prognostizierte Zeitangabe von sechs Stunden ist wohlgemerkt gegoogelt, also ohne Einberechnung etwelcher Staus, Kaffee- und Pinkelpausen und einer spontanen Rückkehr, weil Papa kurz vor der Gotthardröhre feststellt, dass seine Herztabletten den Weg ins Necessaire nicht gefunden haben. Oder sich die ID von Maximilian auf dem Küchentisch sonnt.

Frutti di Mare

In Szenario A – siehe orange in der Illustration – beginnt die Reise morgens um zwei Uhr, weil das Verkehrsaufkommen nachts nicht so hoch ist, und wir «dann um 12 Uhr die erste Frutti di Mare im Casa da Giovanni» essen können. Der verantwortungsbewusste Pilot schaltet allerdings häufig Kaffeepausen ein, der Müdigkeit wegen. Schliesslich hat man am Vorabend «mit den Jungs» noch ein bisschen gefeiert, und niemand will in einen Sekundenschlaf verfallen. Gut zu erkennen in der Illustration: Wir arbeiten mit den Kriterien «Fahrzeit», «Sicherheit», «Stress» und «Harndrang», die je Szenario mit einem Wert versehen werden.
Wartet der Ferienfreund bis Tagesanbruch mit seiner Reise, so steht er relativ rasch in relativ intensiven Staus, was – siehe blaues Szenario B – zu Zeitverlust führt. Und zu Stress. Dennoch muss dann und wann eine Biopause eingelegt werden, so alle zwei Stunden (umgerechnet alle 30 Kilometer). Sechzig Sekundenschlafe ergeben übrigens einen Minutenschl … – na ja, das ist ja hinlänglich bekannt.
Weitaus schlauer erscheint uns Szenario C in Grün: Eine einzige sehr lange Pause ermöglicht ausgiebiges Pinkeln, Trinken von himmeltraurigem Raststätten-Kaffee, Herunterwürgen von mit Gold aufgewogenen, furztrockenen Chicken Nuggets und Sich-darüber-Aufregen, dass auch die Augentropfen nicht mitgefahren sind. Und Sinnieren darüber, warum in aller Welt man in der Hauptsaison mit dem Auto nach Italien fährt. Diese Strategie sieht keine weiteren Toilettenbesuche ausserhalb der grossen Pause vor (bitte Becher mitführen).

Bahn frei

Kommen wir zum Schluss: Effizienz ist auch in den Ferien das Mass aller Dinge, wer häufig oder lange pausiert, ist vollkommen ungenügend organisiert und im eigentlichen Sinne ein Versager. Und der Vollidiot direkt vor mir soll endlich die Spur freigeben. Mit der Bahn benötigen Sie übrigens ebenfalls sechs Stunden. Aber da gibt es halt keinen Stau. Und keine Chicken Nuggets.
Schöne Ferien, auf Wiederlesen.
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