Ringiers fatale Nähe zur Macht: Kommunistisches Regime verleiht Verleger Michael Ringier Orden
Mit Orden ausgezeichnet: Verleger Michael Ringier. Foto: Keystone
Ringier-Konzernchef Marc Walder hat die Redaktionen in allen Ländern, wo Ringier tätig ist, nach eigenen Angaben dazu verpflichtet, die Regierung in der Corona-Politik zu unterstützen. Dies enthüllte der «Nebelspalter» an Silvester. (Lesen Sie hier die ganze Recherche)
Seither sind die Schweizer Medien in Aufruhr. Kein Wunder: Zur Debatte stehen die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit des Journalismus. Selbst Verleger Michael Ringier und «Blick»-Chefredaktor Christian Dorer sahen sich inzwischen genötigt, in den Hausmedien Stellung zu beziehen.
Was die NZZ eine «journalistische Bankrotterklärung» des Ringierkonzerns nennt, ist in der Schweiz brisant genug, zumal am 13. Februar die Abstimmung über das neue Mediengesetz ansteht, bei dem es genau um diese Frage geht: Wie nahe sollen die Medien beim Staat sein? (Lesen Sie hier die Presseschau zum «Fall Walder»)
Doch noch weit problematischer ist die Ringier-Doktrin («Wir wollen die Regierung unterstützen») in Ländern, wo autoritäre Regimes regieren. Und erst recht in Einparteienstaaten und Diktaturen.
Ungarn ist noch das harmloseste Beispiel
Serbien, Polen und Viktor Orbans Ungarn sind da noch die harmlosesten unter den Ländern, in denen Ringier Geschäfte macht. Eine andere Kategorie ist die Militärdiktatur in Myanmar (Burma) oder der kommunistische Einparteienstaat Vietnam. Dort ist es bis heute so, dass Medienunternehmen nur mit dem Segen des Staates, der eine entsprechende Lizenz oder Frequenz verleiht, tätig werden können. Die Nähe zur Macht ist das Entréebillett für solche Märkte. Ohne Kniefall vor den Machthabern geht es nicht. Ringier hat dies im Laufe der Zeit perfektioniert.
Ein besonders illustratives Beispiel: Im März 2006 reiste Verleger Michael Ringier persönlich nach Vietnam, um die Machthaber des kommunistischen Regimes zu hofieren. Sein Türöffner und Reisebegleiter war der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Dabei wurde das Duo von Nong Duc Manh empfangen, zu dieser Zeit Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, dem mächtigsten Mann im Einparteienstaat, sowie von Phan Van Khai, dem damaligen Premierminister.
Orden für Ringier, Gefängnis für Regimekritiker
Wie eng die Bande zwischen dem Ringier-Verlag und den kommunistischen Herrschern sind, belegt die Tatsache, dass Michael Ringier in Hanoi persönlich einen Orden vom Regime verliehen bekam. Genau genommen waren es sogar deren zwei. Den ersten Orden bekam Ringier vom Central Committee of the Ho Chi Minh Communist Youth Union, der grössten Jugendorganisation des Landes, die unter der Fuchtel der Kommunistischen Partei steht und von Cho Chi Minh persönlich geführt worden ist.
Das Emblem der Central Committee of the Ho Chi Minh Communist Youth Union. Foto: Wikipedia
Laut der deutschen Zeitung «taz» gibt Ringier in Vietnam die Zeitschrift «Thoi Trang Tre» gemeinsam mit dem kommunistischen Jugendverband heraus. So bleibt der Orden gewissermassen in der Familie. Die zweite Medaille schliesslich liess das Regime Michael Ringier durch die Vietnam Women’s Union überreichen.
Während sich Michael Ringier von den Machthabern Orden umhängen liess, vermeldeten unabhängige Quellen schwere Verletzungen der Menschenrechte in Vietnam. Just zu der Zeit, als Ringier in Vietnam stark investierte und vom Regime dafür mit Orden belohnt wurde, meldete das US-Aussendepartement in seinem Länderreport für das Jahr 2004 zur Menschenrechtslage in Vietnam: «Die Regierung schränkte die Rede-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit erheblich ein.»
Und weiter: «Die Regierung setzte ihre seit langem verfolgte Politik fort, die meisten Arten von öffentlichem Dissens nicht zu tolerieren, und verstärkte ihre Bemühungen, den Zugang und die Nutzung des Internets durch die Bürger zu überwachen und zu kontrollieren …» Auch halte das Regime weiterhin politische und religiöse Gefangene.
Medien vom Staat gesteuert
Die vietnamesischen Medien seien vom Staat gesteuert und kontrolliert, hält der Menschenrechtsreport fest: «Die Regierung übt die Aufsicht über das Ministerium für Kultur und Information aus, ergänzt durch eine weit verbreitete Parteiführung und ein Gesetz zur nationalen Sicherheit, das weit genug gefasst war, um eine wirksame Selbstzensur der inländischen Medien zu gewährleisten», heisst es in dem Bericht des State Department.
Kritische Journalisten würden von der Regierung zurechtgestutzt. So der Herausgeber eines Online-Magazins, der es gewagt hatte, Leserkommentare abzudrucken, die den Kauf von 78 Luxus-Karrossen durch die Kommunistische Partei für ein Asien-Europa-Treffen kritisierten. Ob auch Gerhard Schröder und Michael Ringier mit einem dieser Fahrzeuge chauffiert worden sind, ist nicht bekannt. Schröder reiste seit 2005 mehrmals im Auftrag von Ringier nach Vietnam, wo er stets wie ein Staatsgast empfangen wurde.
Skrupel hatte der Ex-Kanzler noch nie. Ebenso wenig wie Ringier: Selbst nachdem sich Schröders eigene Partei, die SPD, 2017 wegen seiner freundschaftlichen Nähe zu Wladimir Putin vom Ex-Kanzler distanzierte, hielt Ringier an ihm fest.
«Umfangreiche» Feiern
Doch zurück zu Vietnam: Ringier hätte 2022 auf 30 Jahre erfolgreiche Geschäftstätigkeit in dem ostasiatischen Land zurückblicken können, ist dort aber mittlerweile nicht mehr tätig. Aus Anlass des 25-Jahr-Jubiläums vermeldete der Verlag 2017: «Ringier Vietnam, eine Tochtergesellschaft der in der Schweiz ansässigen Ringier AG, war das erste ausländische Medienunternehmen, das im Jahr 1992 in Vietnam eine Medienlizenz erhielt.
Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in HCMC (Ho Chi Minh City) mit einem zweiten Büro in Hanoi und beschäftigt derzeit rund 230 Mitarbeitende. Nach 25 Jahren Aufbau von Unternehmen in Vietnam ist Ringier Vietnam mittlerweile ein national führendes Multi-Channel-Medienunternehmen.» Das Jubiläum wurde in Ho Chi Minh City «umfangreich» gefeiert, unter anderem auf einer Party mit 200 geladenen Gästen und Mitarbeitern, wie Ringier stolz vermeldete.