Bundeshaus-Briefing #21
Prämien, Gesundheitskosten, Finanzen und die Autobahn
Gerhard Pfister im Umfragehoch – allerdings weiss er, dass dies nicht reicht. (Bild: Keystone)
Die wichtigsten Themen der ersten Sessionswoche:
- die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung.
- die Kosten im Gesundheitswesen und wer sie bremsen soll.
- die Ausgaben des Bundes und wer sie bezahlen soll.
- der Ausbau der Autobahn A1A auf sechs Spuren.
Hinweis: Das Bundeshaus-Briefing gibt es auch als Podcast. In allen Podcast-Apps, oder jetzt hier reinhören.
Das gibt zu reden
Die Mitte im Umfragehoch. Am Mittwoch veröffentlichte SRF das neuste Wahlbarometer. Und dieses sieht die Mitte mit 14.8 Prozent ganz leicht vor der FDP (14,6 Prozent). Mitte-Präsident Gerhard Pfister hält den Ball trotzdem relativ flach (Quelle):
«Wie alle Umfrageresultate darf auch dieses Resultat nicht überbewertet werden. Letztlich zählt nur das Wahlresultat im Oktober.»
Am Schluss kommt es auf die Sitze an – das weiss auch Pfister. Die Prognose der Aargauer Zeitung, welche für die Mitte vier Sitzgewinne voraussagt, ist mit Vorsicht zu geniessen. Dass die Partei alle bestehenden Sitze hält, ist nicht sicher. Trotzdem: Gute Umfragen festigen den Präsidenten – und elektrisieren die Basis.
Die FDP steckt im Jammertal – und setzt auf Durchhalteparolen. Thierry Burkart sagte dazu (Quelle):
«Es ist ein Kopf-an-Kopf Rennen, aber das wird uns im Wahlkampf anspornen und bei der Mobilisierung helfen.»
Der Kontext: Die heisse Phase des Wahlkampfes beginnt. Statt eigene Themen setzen, müssen die Parteien zunehmend auf Themen reagieren, um gehört zu werden und mobilisieren zu können. Darin sind SP und SVP stark. In den Kantonen kommt es stark auf das Personal an.
Meine Beurteilung: Kommt es im Oktober wie jetzt prognostiziert, bleibt rund die Hälfte des links-grünen Wahlsieges von 2019 erhalten. Mitte-Rechts könnte sich zwar zum Sieger erklären, aber ein Rechtsrutsch wie 2015 wäre es nicht – vor allem nicht wegen der FDP. SP und Grüne könnten durchaus zufrieden sein. Mit einer stärkeren Mitte können sie sehr gut leben. Für einen Wechsel in der Zusammensetzung des Bundesrates wäre es aber voraussichtlich zu früh.
Was nächste Woche aktuell wird
Die erste Woche der Herbstsession steht ganz im Zeichen der Gesundheitspolitik. Gemäss dem Wahlbarometer der SRG ist es das wichtigste Thema derzeit. Am Dienstag berät der Nationalrat zuerst die Prämien-Entlastungsinitiative der SP, welche die Krankenkassenprämien mit gemäss Bund sechs Milliarden Franken entlasten will. Zuerst wurde ein Gegenvorschlag in der Höhe von zwei Milliarden Franken verhandelt. Nach Widerstand des Ständerates dürften es noch weniger werden. Das Geld dazu fehlt trotzdem in der Bundeskasse. Wer es ausgeben will, müsste sagen, wo er sparen will.
Am Mittwoch geht es im Nationalrat um die einheitliche Finanzierung der Leistungen. Weil die Kantone nur in den Spitälern Leistungen finanzieren, haben sie von der Verlagerung in die ambulante Medizin profitiert. Dort kostet es weniger, aber die ganze Rechnung geht an die Prämienzahler. Damit soll Schluss sein. Das Parlament ist mit dieser Idee endlich auf der Zielgeraden.
Einen Tag später entscheidet der Ständerat über die Kostenbremse-Initiative der Mitte. Auch hier gibt es einen indirekten Gegenvorschlag, in dem festgehalten werden soll, wer welche Kompetenzen zum Bremsen erhält, wenn die Kosten weiter ansteigen. Statt damit die Krankenkassen zu betrauen (wie es eigentlich schon jetzt vorgesehen ist), sollen es Behörden richten.
Die beiden Parteien SP und Mitte haben einen Deal, dass sie einander bei ihren Initiativen respektive Gegenvorschlägen unterstützen. Bloss machen die Mitte-Ständeräte dabei nicht mit, wie das die Parteichefs Pfister und Wermuth ausgemacht haben.
Meine Beurteilung: Das Timing der beiden Initiativen passt hervorragend in den Wahlkampf. Die Mitte und die SP werden alles dafür tun, davon zu profitieren. Die SP will das Problem mit Geld, die Mitte mit mehr Staat lösen. Die Rezepte ändern nichts an den Kosten. Doch das spielt so kurz vor den Wahlen keine Rolle. Für den Wahlkampf taugen sie trotzdem. Beide Parteien dürften froh sein, wenn ein Gegenvorschlag durchkommt und sie nächstes Jahr nicht in einen teuren und schwierigen Abstimmungskampf müssen.
Verteidigt die 20 Jahre alte Schuldenbremse: Bundesrätin Karin Keller-Sutter. (Bild: Keystone)
Am Montag stehen im Ständerat finanzpolitische Entscheide an. Werner Salzmann will den Höchstbetrag der Ausgaben in der Schuldenbremse erhöhen, um die Armeeausgaben wie vom Parlament beschlossen bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen. Wenn das nicht geht, schlägt er vor, die rund vier Milliarden pro Jahr gleich ganz an der Schuldenbremse vorbeizuschmuggeln. Der Bundesrat will dieses Ziel erst ab 2035 erreichen (was die Gefahr erhöht, dass man es gar nie erreicht).
Die grüne Ständerätin Celine Vara will hingegen die Querschnittskürzung über alle Departemente von zwei Prozent verhindern, welche der Bundesrat für das Budget 2024 beschlossen hat. Eine Kürzung werde «die Bevölkerung hart treffen», findet sie. Den Beweis dafür bleibt sie mindestens im Vorstoss schuldig.
Der Obwaldner Ständerat Erich Ettlin (Mitte) will die gebundenen Ausgaben flexibilisieren. Heute sind gemäss einem Bericht der Finanzverwaltung (Link zum PDF) knapp zwei Drittel der Ausgaben gesetzlich gebunden. Das verringert den Spielraum, den Bundeshaushalt im Gleichgewicht zu halten. Ganze Politikbereiche sind dann von einer finanzpolitischen Überprüfung ausgeschlossen, heute namentlich die Sozialwerke, der Finanzausgleich für die Kantone oder Kässeli für die Infrastruktur wie die Bahn oder die Strasse. Besonders Ettlins Parteikollegin Doris Leuthard war als Bundesrätin erfolgreich im Schaffen von «Fonds» für ihre Anliegen.
Meine Beurteilung: Der Bundesrat rechnet in seinem Finanzplan mit einem strukturellen Defizit von 1,2 Milliarden Franken pro Jahr. Angesichts der Einsparungen bei der Armee in den letzten dreissig Jahren und der geopolitischen Herausforderungen haben die Armeeausgaben Priorität. Klar ist, dass der Bund um Sparmassnahmen nicht herumkommen wird. Dazu muss eine Aufgabenüberprüfung und die Flexibilisierung der gebundenen Ausgaben gehören, sonst dürfte sich die Schuldenbremse nicht einhalten lassen.
Zu achten ist auf:
- Ständeräte der Mitte-Partei: Hält der Deal mit der SP für die beiden Gegenvorschläge doch noch?
- Ständeräte der FDP: Bleiben sie bei ihrem Beschluss, die Armeeausgaben zu erhöhen oder folgen sie ihrer Bundesrätin?
- Karin Keller-Sutter: Wie verteidigt die Bundesrätin die Schuldenbremse?
Was sonst noch läuft
Der Bundesrat will das Ausländergesetz lockern und Ausländern mit Hochschulabschluss erlauben, in der Schweiz zu bleiben und zu arbeiten. Der Nationalrat hat der Änderung zugestimmt. Ständerat tut sich schwer damit, weil das dem mit der Masseneinwanderungsinitiative angenommenen Verfassungsartikel widersprechen würde. Die Initiative wurde nie umgesetzt, jetzt würde sie unterlaufen. Die SVP droht mit dem Referendum.
Ebenfalls auf der Traktandenliste ist eine Motion des Berner SVP-Nationalrates Erich Hess, der die Autobahn A1 auf sechs Spuren ausbauen will. Der Bundesrat hat überraschend die Annahme des Vorstosses erklärt. Bundesrat Albert Rösti wagt den Aufbruch weg vom dreissigjährigen links-grünen Dogma, jeder Ausbau des bestehenden Autobahnnetzes sei falsch.
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Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und alles Gute!