Somms Memo
Nordmann for Bundesrat? Warum diese unwahrscheinliche Kandidatur wahrscheinlich ist
Roger Nordmann, bis vor kurzem SP-Fraktionschef im Bundeshaus. (Bild: Keystone)
Die Fakten: Bis am 29. Oktober können alle Sozialdemokraten, die Bundesrat werden wollen, ihre Kandidatur melden. Das ist eine Woche nach den Wahlen.
Warum das wichtig ist: Die Krokodile warten. Sollte die SP gewinnen, dürften sich auch Wermuth und Nordmann ins Wasser werfen.
Ich komme auf mein Memo vom Freitag zurück.
- Zunächst eine Korrektur. Was ich über Cédric Wermuth, Nationalrat und Co-Präsident der SP, geschrieben habe, trifft nicht zu. Der Berufspolitiker ist weniger unter Druck, sich einen neuen Job zu suchen, als ich gemeint habe.
- Zwar gibt es bei der SP Aargau eine Amtszeitbeschränkung von 12 Jahren, und ein Nationalrat oder Ständerat kann nur dann abermals antreten, wenn eine 2/3-Mehrheit des Nominationsgremiums dem zustimmt. Das ist im Fall von Wermuth letzten Herbst geschehen. Er sitzt seit 2011 in der grossen Kammer.
- Allerdings kann er sich immer wieder diesem Prozedere unterwerfen. Die Statuten lassen das offen. Also darf sich Wermuth auch 2027 wieder aufstellen lassen, ebenfalls 2031 und 2035, ja, er kann so lange Nationalrat bleiben, wie er will, (sofern seine Partei das will)
Mit anderen Worten: Er muss jetzt nicht unbedingt Bundesrat werden, wenn das Parlament im Dezember einen Nachfolger für Bundespräsident Alain Berset (SP) bestimmt.
Dennoch gehe ich davon aus, dass Wermuth sich bewirbt. Krokodil I hat bisher solche Ambitionen nicht dementiert. Und das Ritual vor Bundesratswahlen sieht vor: Wer nichts sagt, sagt alles.
Krokodil, weil Wermuth ohne Frage zu den Mächtigen seiner Partei zählt, und überdies, anders als etwa Kandidat Daniel Jositsch (SP, ZH), in seiner Fraktion nach wie vor wohlgelitten ist.
Krokodil II heisst Roger Nordmann (VD) – und bei ihm dürfte die Karriereplanung ebenso in eine kritische Phase geraten sein.
- Nordmann wird mit Sicherheit nur noch eine weitere Legislatur im Nationalrat absolvieren – die SP Waadt hat ihm vergangenes Jahr zwar zum zweiten Mal eine Ausnahmegenehmigung erteilt, damit die parteiinterne Amtszeitbeschränkung seine Karriere nicht schon dieses Jahr beendet. Doch ein drittes Mal wäre wohl zu viel des Guten
- Kurz, auch er, genauso ein Berufspolitiker, sucht ab 2023 eine neue Stelle. Er ist 50. Das ist selbst für einen Sozialdemokraten, denen das Rentenalter sonst nie tief genug sein kann, zu früh für den Ruhestand
Warum nicht Bundesrat?
Wenn ich Nordmann als möglichen Kandidaten erwäge, dann höre ich jetzt schon den Einwand:
Aber er ist ein Romand! (OK, ein Waadtländer!)
Zumal die Welschen derzeit mit drei Sitzen (Guy Parmelin, Alain Berset, Elisabeth Baume-Schneider) in der Regierung übervertreten sind.
- Das ist 43% des Bundesrates
- Der Bevölkerungsanteil der Romands beträgt dagegen bloss 23% (Deutschschweizer: 62%, Italienischsprachige 8%)
Als vergangenes Jahr Baume-Schneider gewählt wurde, waren wohl alle der Auffassung, dass die Welschen bei der erstbesten Gelegenheit einen Sitz an die Deutschschweizer zurückgeben (die Tessiner und Italienisch-Bündner stellen mit Ignazio Cassis bereits einen Magistraten).
Was soll da ein Nordmann?
Aus Sicht der SP spricht vieles für ihn:
- Er ist ein Krokodil, und zwar ein loyales
- Darüber hinaus ist er ein linker Energiespezialist, und könnte Albert Rösti, dem SVP-Energieminister, die Stirn bieten, was für die Klimapartei SP ein nicht zu unterschätzender Vorzug wäre
- Seit langem gehört er dem engsten Führungskreis an. Er war bis vor kurzem Fraktionschef. Bei ihm wird die Partei keine Überraschungen erleben oder besser: erleiden (wie etwa bei Jositsch oder Matthias Aebischer)
Last but not least können es die Bürgerlichen mit ihm. Dass er zudem perfekt bilingue ist (und Italienisch beherrscht), hilft.
Wenn es aber auf eine bürgerliche Partei ankommt, dann auf die SVP. Sie könnte sich einen Bundesrat Nordmann vielleicht gut vorstellen. Denn ihre Interessen liessen sich mit jenen der SP vereinbaren:
- In Bern rechnet man damit, dass Parmelin nicht mehr die ganze Legislatur bleibt
- Womöglich tritt er schon in zwei Jahren zurück
Deshalb eröffnet sich für beide Parteien ungeahnte Möglichkeiten: Warum keinen Deal schliessen?
Demnach würde im Dezember der welsche Nordmann gewählt, dafür könnte die SVP in zwei Jahren Parmelin mit einem Deutschschweizer oder einer Deutschschweizerin ersetzen – was ihr entgegenkäme angesichts ihres ausgeprägten Personalmangels in der Romandie. Wogegen dieser Landesteil eine Hochburg für die SP darstellt.
Win-Win.
Ausser für Krokodil I. Und mit ihm ist immer zu rechnen.
Oder wie es der britische Filmmacher Jeremy Wade einmal gesagt hat, der im Übrigen auch gute Bücher übers Fischen geschrieben hat:
«Es ist immer das Krokodil, das Du nicht siehst, über das Du Dir am meisten Sorgen machen musst.»
Ich wünsche Ihnen einen prächtigen Tag
Markus Somm
Wer es genauer wissen will:
Nachtrag zum gestrigen Memo, ein Dokumentarfilm über den Tod der Wale im Atlantik, wofür eventuell Windturbinen verantwortlich sind (Trailer).