Schon sehr bald wird die Flagge von Appenzell Innerrhoden auf dem höchsten Berg der Welt wehen. Ich bin wild entschlossen, den Mount Everest zu erklimmen.
Kürzlich sass ich auf dem Sofa, holte mir zwischendurch ein Bier und bemerkte bei der Rückkehr eine Ausbuchtung auf dem Stoff meines schwedischen Qualitätsprodukts. Da wurde mir schlagartig klar: Wenn ich in diesem Moment sterbe, ist alles, was ich der Welt hinterlasse, der Abdruck meines Hinterns.
Das kann es nicht sein. Man soll sich dereinst meiner anders erinnern! Weil ich bekanntermassen sogar zu faul bin, den Gebührensack vor acht Uhr morgens vor die Tür zu stellen, beeindruckt nichts mein Umfeld mehr als meine körperliche Anstrengung. Ich entschied mich daher, die Besteigung des Mount Everest in Angriff zu nehmen.
Nach einer kurzen Googlesuche wusste ich: Es ist machbar. Eine spezialisierte Berner Firma schreibt: «Was früher den Pionieren und den besten Alpinisten, vorbehalten war, steht heutzutage ‹Normalverbrauchern› offen.» Also Leuten wie mir.
Als Erstes nahm ich unbezahlten Urlaub. Für die Besteigung des Mount Everest mit seinen 8 848,86 Meter benötigt man vierzig Tage, weil sich der Körper an die Höhenbelastung gewöhnen muss. Dann galt es, sich auf die Widrigkeiten der Natur vorzubereiten. Da oben kann es bis zu minus 62 Grad kalt werden, ausserdem erreicht der Wind eine Geschwindigkeit von bis zu 320 km/h. Ich setzte mich deshalb in den leergeräumten Tiefkühler und hielt mir parallel dazu den Haarföhn bei voller Leistung ins Gesicht – eine Simulation vom Feinsten.
Nächster Punkt: Die Suche nach einem Sherpa, der mein Gepäck trägt und mir idealerweise auch die Richtung weist. Tendenziell geht es ja einfach immer nach oben, aber möglicherweise gibt es Abkürzungen. Auf www.get-a-cheap-sherpa.com war gerade ein «2 für 1»- Paket im Angebot.
Dann die Ausrüstung. Meine Nachbarin Martha war bereit, mir ihre Nordic-Walking-Stöcke auszuleihen. Im Brockenhaus fand ich Militärschuhe, und der Velohelm meiner Tochter sollte allfällige Steinschläge aushalten, immerhin fällt sie damit dauernd um, ohne nachhaltige Schäden.
Die Vorbereitung war also makellos – bis der Tiefschlag kam: Mein Arbeitgeber bewilligte den Urlaub nicht. Gemäss Arbeitsvertrag ist mir ohnehin alles strengstens untersagt, was meine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Darunter fallen Bungee-Jumping, Gleitschirmfliegen, die Teilnahme an einem Polterabend und die Besteigung von Gipfeln über 999 Meter.
Ich nehme es sportlich. Unterm Strich hat es sich gelohnt. Die Nordic-Walking-Stöcke sind ideal, um die Fernbedienung heranzuziehen, die ausserhalb meiner Reichweite herumliegt. Der Velohelm leistet gute Dienste, wenn die lokale Brauerei mal wieder Freibier ausschenkt. Und mein Tiefkühler ist endlich mal abgetaut. Der Mount Everest kann warten.
Er wächst übrigens durch tektonische Aktivitäten jedes Jahr um 6 Millimeter. Nach meinen Berechnungen sollte er in 2 519 Jahren die Marke von 9 000 Metern über Meer geknackt haben. Vorher lohnt es sich ja irgendwie auch gar nicht.