Sie werden mir bestimmt zustimmen, wenn ich sage: Eltern sind vieles, aber ganz sicher nicht perfekt. Zumindest was die Realität betrifft – in der auf Hochglanz polierten Welt von Plattformen wie etwa Instagram aber sieht es anders aus. Dort präsentieren sogenannte «Momfluencerinnen» heute ihre Kinder wie bis anhin ihre Accessoires.
Ein typisches Bild: Babybeinchen in Kaschmirhosen und alles in Pastelltönen gehalten. Die Mutter hat vor Kurzem erst entbunden, steht in ihrer hellen, perfekt möblierten und aufgeräumten Wohnung und lächelt überglücklich in die Kamera. Das Baby schlummert in der Trage und alles ist … perfekt! Die negativen Seiten werden gekonnt ausgeblendet und Millionen Followerinnen, die sich ebenfalls in der Mutterrolle befinden, werden von der schönen Fassade geblendet.
Zwang zur Selbstdarstellung
Dies wiederum treibt andere Mütter dazu, ihren Alltag ebenfalls in den sozialen Medien zu inszenieren – stets darauf bedacht, nur das Schöne zu zeigen. Doch was steckt dahinter? Die Kommunikationswissenschaftlerin Bianca Kellner-Zotz erklärt es im Tagesanzeiger so: «Mütter bekommen viel zu wenig Wertschätzung für ihren Knochenjob. Gleichzeitig leben sie in einer auf Aufmerksamkeit getrimmten Mediengesellschaft, die Aufregendes, Besonderes, Visualisiertes mit Klicks und Likes belohnt.»
Es sei zwar positiv, dass das Thema Mutterschaft im öffentlichen Diskurs mehr Platz erhalte. Als schädlich bewertet die Expertin aber den Zwang zur Selbstdarstellung. «Keine Mutter ist immer glücklich, keine sieht aus wie ein Supermodel, während sie stillt oder nach der Arbeit die Kinder von der Kita holt», sagt Kellner-Zotz.
Konkurrenzkampf
Die unschönen Folgen dieser Inszenierung liegen auf der Hand: Im Vorhaben, mit den «Momfluencerinnen» Schritt zu halten, scheitern viele Mütter, was zu Depressionen, Minderwertigkeitskomplexen oder Einsamkeit führen kann.
Der Konkurrenzkampf unter Müttern in den sozialen Medien steht diametral zur weiblichen Bewegung, deren vielleicht stärkste Waffe die Einigkeit ist. Oder anders ausgedrückt: Mütter, die online nur die schönen oder geschönten Seiten des Lebens in den eigenen vier Wänden zeigen, sind wie Arbeitnehmerinnen, die sich mit weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen begnügen, weil ihnen die Arbeit so viel Freude bereitet.
Kein Mitspracherecht
Natürlich, marketingtechnisch zieht ein friedlich schlafendes und zufriedenes Kleinkind in einer schönen Umgebung natürlich mehr als ein vor sich hin rotzender Schreihals, der seine Mutter im Minutentakt altern lässt. Dieser würde das Prinzip Likes als Währung für den Selbstwert geradezu torpedieren.
Die Instagram-Kinder selbst haben zwar kein Mitspracherecht, wenn es um das eigene Bild geht, was an sich schon problematisch genug ist. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie dann, wenn sie die Mündigkeit erreichen, wohl besser damit leben können, von der Schokoladenseite präsentiert worden zu sein. Wenn schon, denn schon.
Babys verstehen
Es ist paradox: In einer Welt, in der Kinder – völlig zurecht! – immer besser geschützt, abgeschirmt und begleitet werden, ist es mit der eigenen Mutter oftmals die am nächsten stehende Bezugsperson, die ihr eigenes Kind in der Öffentlichkeit zur Schau stellt. Den dadurch entstehenden Problemen für andere Mütter und Kinder könnte ganz einfach auf zwei Arten entgegengewirkt werden.
Erstens: Versuchen, die Babys zu verstehen. Diese erlernen das Sprechen zwar erst mit einer gewissen Zeit, sind aber ab Tag eins ihres Lebens in der Lage, sich mitzuteilen.
Und zweitens: Ein Authentizitätsfilter, der gewährleistet, dass die Baby-Bilder der «Momfluencerinnen» zumindest einen gewissen Grad an Realität beinhalten.
Dieser würde anderen Müttern ein Gefühl des Verstandenwerdens vermitteln – es ist ja nicht so, dass die Rolle der Mutter immer nur «zum Kotzen» ist.