Somms Memo
Mitte vor FDP: Eine Katastrophe. Sie ist abwendbar
Gerhard Pfister (Mitte, ZG) im Gespräch mit Kollegen.
Die Fakten: Die Mitte überholt die FDP – gemäss neuester SRG/Sotomo-Umfrage.
Warum das wichtig ist: Wenn das geschähe, veränderte das die Schweiz auf immer. Der Freisinn muss aufwachen.
Gerhard Pfister, der Präsident der Mitte, steht davor, die Geschichte der Schweiz neu zu schreiben.
- Sollte das neueste SRG-Wahlbarometer richtig liegen, und die Mitte (ehemals CVP und BDP) würde im Oktober bei den Nationalratswahlen tatsächlich den Freisinn übertreffen, dann wäre das ein Triumph sondergleichen
- Ein historischer Triumph: Die Nachfahren jener Partei, die den Sonderbundskrieg von 1847 verloren hatte, würden zum ersten Mal die damalige Siegerpartei, die Liberalen und Radikalen schlagen, aus denen der Freisinn entstand
- Das hat es nie gegeben: Immer lag die FDP vor der CVP, seit 1848 das erste Parlament gewählt worden war
Wer Pfister kennt, weiss, dass er den Freisinn eigentlich hasst. Nie würde er das so sagen, deshalb sage ich es (als Freisinniger mit katholischem Vater), aber Pfister, ein kluger, historisch bewanderter Kopf, hat nie vergessen, wie die Sieger von 1847 die katholisch-konservativen Verlierer danach jahrzehntelang, wenn nicht jahrhundertelang schlecht behandelten:
- Von oben herab, mit protestantischer, kulturkämpferischer Abneigung
- Als Bürger zweiter Klasse, als Papisten oder Ultramontane, also schlechte, unzuverlässige Patrioten, denen Rom näherstand als Bern (Rom lag auf der anderen Seite der Berge, lat. ultra montes)
Wenn die Freisinnigen die Katotschen (wie man sie gerne beschimpfte) diskriminieren konnte, dann warum nicht?
Noch in den 1980er Jahren wurden hohe Offiziere in der Schweiz nicht zum Generalstabschef, weil sie katholisch waren. Bis in die 1960er Jahre gab es keine katholischen Professoren an den Universitäten von Zürich, Bern, Basel oder Genf.
So gesehen wäre es für Pfister nicht nur ein historischer Triumph, sondern auch ein persönlicher – umso mehr, als ihm das wohl niemand in seiner Partei zugetraut hätte.
- Das alles entbehrt nicht der Ironie. Wie so oft erlaubt sich die Geschichte ein Spässchen
Denn Pfister ist im Grunde seines Herzens ein Katholisch-Konservativer geblieben – wie er noch bis in die 1980er Jahre in der CVP weit verbreitet war.
- Das war der Generaltypus in der CVP – seit 1848
- die Linken, auch Christlichsoziale genannt, oder die schon immer eher links-katholischen Frauen (ich spreche von den Politikerinnen – nicht von den Wählerinnen) blieben lange eine aufsässige, aber belächelte Minderheit
Seither hat sich das gründlich geändert. Die CVP, dann die Mitte, hat sich weit nach links bewegt, und das mit einem Tempo, als ob man vergessen machen wollte, dass man einmal stockkonservativ war, wenn nicht reaktionär, – nur Pfister, so schien es lange, blieb einfach stehen – und erschien immer rechter.
Wenn man einem nachsagte, dass er bald in die SVP wechseln würde, dann Pfister, dem wirklich bürgerlichen Nationalrat aus Zug. Dementsprechend unbeliebt war er in seiner Fraktion. Ein letzter Mohikaner, hiess es, den man sich in die ewigen Jagdgründe wünschte.
- Dass dann 2016 ausgerechnet er zum neuen Präsidenten der CVP gewählt wurde, war eine Sensation, wenn auch keine, wenn man berücksichtigte, dass alle anderen Granden nicht antraten, weil sie lieber Bundesrat werden wollten
- Pfister will ebenfalls Bundesrat werden (was er abstreitet, deshalb sage ich es), und wenn er diese Wahlen gewänne, dann stünde er in der allerersten Reihe, wenn es um das hohe Amt ginge
Aber worum geht es ihm? Um eine bürgerliche Schweiz oder nur um dieses Amt?
Was eben auch stimmt: Pfister politisiert lange nicht mehr so zuverlässig bürgerlich wie zu seinen besseren Zeiten.
Gewiss, als Präsident einer Partei in der Mitte, musste er sich etwas geschmeidiger verhalten, wie er glaubhaft versicherte, wenn man ihn kritisierte, zuerst müsse er sich in der eigenen Partei durchsetzen, dann würden wir dann sehen.
- Wir sehen es immer noch nicht
- Stattdessen biederte sich die Mitte in dieser vergangenen Legislatur der Linken an, wann immer möglich, als wollte man klarstellen: Unser Ziel ist eine Mitte-Links-Regierung
Und diesem Ziel käme die Mitte – besser: die SP, die dann alle Fäden zöge – sehr viel näher, wenn die Mitte die FDP auch nur um ein Promille überrundete.
- Für die eine liberale, für eine wirtschaftsfreundliche Schweiz wäre eine Mitte-Links-Mehrheit im Bundesrat (2 SP, 2 Mitte) eine Katastrophe
Wenn der Freisinn, der 1848 den liberalsten und demokratischsten Staat der damaligen Epoche, gründete, diesen jetzt nicht aufgeben will, dann muss der Freisinn aufwachen.
Das nächste Memo enthält eine Gebrauchsanweisung. Wie gewinne ich die Wahlen?
Oder um es mit Winston Churchill zu sagen, einem Spezialisten für aussichtslose Situationen:
«Nichts an der Ausbildung eines Politikers ist unentbehrlicher, als zu lernen, wie man Wahlen gewinnt.»
Ich wünsche Ihnen einen rundum erfreulichen Tag
Markus Somm