Printausgabe

Männer sind zu dumm für weiblichen Humor

image 7. April 2023 um 07:00
Petra Kaster
Petra Kaster
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Haben Sie heute schon gelacht? Wenn ja, dann wohl eher nicht über den Witz einer Frau. Zum Lachen bringen uns hauptsächlich Männer. Das beweist auch der Blick in die Comedy-Szene. Noch immer sind Komiker um ein Vielfaches gefragter als Komikerinnen.Comedy ist vorrangig eine männliche Angelegenheit – auch hierzulande. Diese mangelnde Diversität hat dem Schweizer Fernsehen Ärger eingebrockt. Unter den potenziellen Nachfolgern von Comedian Dominic Deville, den man aus der sonntäglichen Late-Night-Show kennt, befand sich keine einzige Frau. Trotz viel Kritik will die Comedy-Abteilung von SRF den Komikerinnen vorerst keinen prominenten Platz im Programm einräumen. Warum sollte sie auch?
Das Schweizer Fernsehen stützt sich bei seiner Entscheidung auch auf Studien, welche die Vorlieben der Deutschschweiz bezüglich Comedy und Satire aufzeigen. Was das Publikum sehen will, das sind im überwiegenden Masse männliche Comedians. Heisst wohl im Endeffekt: Männer sind einfach lustiger als Frauen.

Humor ist Balzverhalten

Der israelische Psychologe Gil Green­gross kommt in einer gross angelegten Meta-Studie im Jahr 2019 zum Schluss, dass Männer tatsächlich als lustiger empfunden würden als Frauen – und findet die Gründe dafür in der Evolutionstheorie. Frauen seien in der Partnersuche deutlich wählerischer und somit das Geschlecht, das am längeren Hebel sitzt. Männer müssten sich ins Zeug legen, um aufzufallen und attraktiv zu wirken. Humor sei ein Zeichen von Intelligenz und Intelligenz wiederum ein Indikator für gute Gene. Und da Frauen in unserer Gesellschaft lange darauf angewiesen waren, sich einen möglichst guten Ernährer für ihre Zukunft zu schnappen, sei der Humor eines Mannes für sie ein wichtiges Auswahlkriterium.
Männer sind also vor allem lustig, weil sie so um die Gunst von Frauen buhlen. Je toller sie eine Frau finden, umso lustiger müssen sie sein. Und weil das eine anhaltende Herausforderung ist, werden sie darin womöglich immer besser.

Respektierter Schenkelklopfer

Aber auch andere Gründe kommen infrage. Das Klischee vom lustigen Mann und der humorbefreiten Frau könnte auch eine selbsterfüllende Prophezeiung sein. Wenn lustige Frauen weniger geschätzt werden, dann werden auch weniger Frauen lustig sein. Laut der Humorforscherin Helga Kotthoff wird Frauen seit Jahrzehnten eine «damenhafte» Angepasstheit vorgeschrieben, die ihnen Gags und Pointen verbietet. In den Sechzigern hiess es: «Die Dame halte sich bei Tisch mit der Darbietung von Scherzen zurück.»
Bis heute werden laut der Forschung Frauen, die im beruflichen Kontext Witze machen, eher als inkompetent eingestuft – während schenkelklopfende Männer als besonders souverän und respektabel gelten.

Weibliche Gags nicht begriffen

Es gibt noch eine weitere Theorie, die erklärt, warum Frauen nach wie vor für das weniger lustige Geschlecht gehalten werden. Die US-Komikerin Tina Fey berichtete in einem Interview sehr eindrucksvoll von ihrer frühen Erfahrung bei der Comedy-Show «Saturday Night Live». Sie war eine der wenigen Frauen im Redaktionsteam und viele ihrer Gags und Sketche wurden abgelehnt. Nicht etwa, weil sie eine Frau ist. Sondern weil die männlichen Autoren ihren Humor schlicht nicht verstanden.
Eine Erfahrung, die auch Sarah Pappalardo und Beth Newell, die Chefredakteurinnen des amerikanischen Satiremagazins «Reductress», machten. Sie sagen über ihre Anfänge in der Comedy-Branche: «Irgendwann fiel uns auf, dass sich bestimmte Ideen nie durchsetzten. Nicht weil die Männer sie aktiv blockierten, sondern weil sie schlichtweg nicht verstanden, wovon wir sprachen.» Wessen Humor nicht verstanden wird, der oder die bekommt weniger Sketche in einer Sendung. Wer weniger Sketche liefert, gilt als nicht lustig. Macht Sinn, oder?
Eure Femme fatale
PS: Falls Sie männlich sind und den Text bis hierhin gelesen haben, tut es mir leid, wenn Sie nicht alles verstanden haben.
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