somms memo

Lugano-Konferenz: Wiederaufbau im Zeichen von Woke

image 4. Juli 2022 um 10:00
Lugano. Wird hier die Ukraine wiederaufgebaut?
Lugano. Wird hier die Ukraine wiederaufgebaut?
Die Fakten: Bundespräsident Ignazio Cassis eröffnet heute in Lugano die «Ukraine Recovery Conference». Ziel ist es, den Wiederaufbau des Landes zu planen.

Warum das wichtig ist: Die Konferenz kommt zur Unzeit. Noch tobt der Krieg. Ausser wohlduftenden Deklamationen dürfte nichts zu erwarten sein.


Um die Sicherheit der Lugano-Konferenz zu gewährleisten, kommt auch die Schweizer Marine zum Einsatz, – deren Existenz wohl den meisten Konferenzteilnehmern nicht vertraut ist:
  • Natürlich heisst sie offiziell auch nicht «Marine», sondern es handelt sich um die Motorbootkompanie 10, die einzige Einheit der Armee, die sich auf den Seekrieg versteht. Losung: Keine fremden Truppen auf der Wigger
  • Die Kompanie verfügt zu diesem Zweck über 14 Patrouillenboote P 16, die von «Bootsschützen» bedient werden

In Lugano kreuzen zwei dieser P 16 auf dem See. Falls die russische Schwarzmeer-Flotte unverhofft im Tessin auftaucht, wären wir also gerüstet. Insgesamt sorgen 1600 Soldaten der Schweizer Armee für die Sicherheit der Delegationen.
Ein erheblicher Aufwand für eine Konferenz, deren Ertrag in den Sternen steht:
  • 38 Länder haben sich angemeldet, sowie die EU, die Weltbank und weitere internationale Organisationen, ausserdem zahlreiche NGOs
  • Erwartet werden rund 1000 Politiker, Diplomaten, Beamten, NGO-Vertreter, Journalisten, Philanthropen – das übliche Publikum der üblichen Konferenzen, wie sie in dieser Welt inzwischen so häufig und so folgenlos stattfinden
  • An schönen Orten werden schöne Dinge besprochen, ohne sich von der hässlichen Wirklichkeit behelligen zu lassen. Am Ende freuen sich alle auf die schönen Schlusserklärungen

Ausser Spesen nichts gewesen. Und die Spesen übernimmt der schweizerische Steuerzahler.
Denn was soll jetzt eine Konferenz über den Wiederaufbau eines Landes bringen, dessen Untergang nach wie vor im Bereich des Möglichen liegt?
Gewiss, die Ukrainer sind dankbar. Solange ihr Land Gegenstand von Konferenzen ist, so meinen sie wahrscheinlich, solange bestehe ihr Land auch.
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Wenn ich an die römisch-katholische Kirche denke, die heute noch Bistümer mit Bischöfen besetzt, die es gar nicht mehr gibt, weil sie im frühen Mittelalter von den Muslimen erobert worden sind, dann bin ich mir da nicht so sicher. Länder überleben manchmal auch nur im Lexikon.
  • Noch heute ernennt der Papst einen Bischof von Karthago oder einen Bischof von Damaskus, wenn es ihm beliebt (der letzte amtierte von 1940 bis 1967)
  • Römische Katholiken leben dort aber so gut wie keine mehr

Ursprünglich handelte es sich bei der Lugano-Konferenz um eine sogenannte Ukraine-Reformkonferenz (Ukraine Reform Conference, URC), wie sie seit 2017 fast jedes Jahr durchgeführt wurde, unter anderem in London, Toronto oder Kopenhagen. 2022 stand Lugano auf dem Plan.
Nachdem aber der Krieg ausgebrochen war, funktionierte man die URC kurzerhand zu einem Wiederaufbau-Kongress um. Alles andere hätte wohl noch weltfremder gewirkt.
  • Warum jetzt über Reformen in der Ukraine reden, wenn das Land ums Überleben kämpft?
  • Den Zustand der Menschenrechte in Kiew diskutieren, wenn die Russen sie in Mariupol mit Füssen treten?

Ziel der Reformkonferenzen war es nämlich gewesen, die Ukrainer zu besseren, vor allem demokratischeren, weniger korrupten Europäern auszubilden. Es war eine gut gemeinte Veranstaltung, wo westliche Politiker und Experten ihre ukrainischen Kollegen dabei berieten, wie sie ihr Land auf den westlichen Standard brachten, was Rechtsstaat und Demokratie anbelangte.
Wenn wir heute feststellen, dass die Ukraine auch 2022 nach wie vor zu den korruptesten Ländern der Welt zählt, dann haben diese Konferenzen offensichtlich nicht allzu viel bewirkt.
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Bundespräsident Ignazio Cassis, Gastgeber der Lugano-Konferenz.
Das gleiche steht in Lugano zu befürchten.
Gemäss Schlusserklärung, deren Entwurf schon vor der Konferenz den Weg in die Redaktionen gefunden hat, soll der Wiederaufbau genutzt werden
  • um weiter gegen die Korruption vorzugehen
  • ebenso wird betont, wie wichtig «demokratische Teilhabe» sei
  • schliesslich verpflichtet sich die Ukraine beim Wiederaufbau auf die Menschenrechte zu achten, auf «Inklusion» und auf «Geschlechtergleichheit»

Mit anderen Worten, im Schlussdokument dürfte der übliche Quark stehen, wie ihn die Woke-Bewegung derzeit verlangt. Dass ein Vertreter eines ukrainischen NGOs bereits die Pläne der ukrainischen Regierung kritisiert, 9 neue Atomkraftwerke zu bauen, und stattdessen mehr Wind und Sonne fordert, passt ins Bild:
Während im Westen diese Art von verfehlter Energiepolitik schon im nächsten Winter zu Strommangel führen dürfte, soll sie nun auch in die Ukraine exportiert werden.
«Never Change a Winning Team»
Es hat etwas Frivoles, vielleicht auch Herzloses.
  • Die Ukraine ist ein Land, das von einem Diktator nach allen Regeln der Kunst massakriert wird. Die Russen töten, die Russen zerstören, die Russen vertreiben. Und in Lugano reden wir über erneuerbare Energien für Städte, die dem Erdboden gleichgemacht worden sind
  • Was ist den ukrainischen Frauen und Männer wohl wichtiger? Ein Dach über dem Kopf oder die Gewissheit, dass es «geschlechtergerecht» gebaut wird, wenn es denn je gebaut wird, nachdem die richtigen Solarpanels bestellt worden sind?

Ignazio Cassis, unser Bundespräsident, hofft, dass die Schweiz mit dieser Konferenz einen Beitrag zum Frieden leisten kann. Das ist nach wie vor möglich. Wenn Cassis dafür sorgt, dass dieser Quark aus der Lugano Deklaration gestrichen wird.
Ansonsten bleibt den Teilnehmern aus der Ukraine nur unsere Marine in guter Erinnerung. Denn sie schreckte die russischen U-Boote mit Erfolg ab.

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Wochenbeginn Markus Somm

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