Wirtschaft in Indien

Kunal Bahl: «Es hat sich alles verändert in Indien»

image 22. Mai 2023 um 04:00
Kunal Bahl am Treffen des Changer Club in Lausanne. (Bild: PD)
Kunal Bahl am Treffen des Changer Club in Lausanne. (Bild: PD)
Der indische E-Commerce Unternehmer Kunal Bahl (39) ist einer der grössten und erfolgreichsten Investoren in Indien. Der Internetpionier studierte Informatik und Unternehmensmanagement in den USA. 2007 kehrte er wegen eines Problems mit seiner Aufenthaltsgenehmigung nach Indien zurück und gründete 2010 Snapdeal, die indische Konkurrenz zu Amazon.
Bahl hat von Anfang an Gewinne aus seinem Geschäft in Start-ups in Indien und in den USA investiert. Heute ist er einer der grössten Start-up-Investoren der Welt. Er berät die indische Regierung in wirtschaftspolitischen Fragen. Ende April war er zu Gast in Lausanne bei einem Treffen des Changer Club, einem Business-Club von Start-up-Investoren aus der Schweiz, dem Baltikum, Skandinavien und Israel. Wir haben Bahl zu Indien befragen können.
Indien galt Jahrzehnte lang als Armenhaus Asiens. Was hat sich in Indien in den letzten 15 Jahren verändert?
Kunal Bahl: Ich würde die Frage stellen, was sich nicht verändert hat. Denn alles hat sich verändert. Wir sehen das in jedem Aspekt Indiens, insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung des Landes, im Hinblick auf die Aktivierung des inländischen des Kapitals und der Entschlossenheit der Regierung, einen langfristigen Wirtschaftsplan für das Land zu haben. Alle diese Faktoren, der «Spirit» der Bevölkerung, die Stärke der Wirtschaft und die Entschlossenheit der Regierung kommen zusammen, um das Land grundlegend zu verändern.
In Europa schauen viele auf China und staunen, was die Diktatur dort zustande bringt. Indien ist hingegen eine Demokratie, wird zuweilen belächelt. Welche Rolle spielt die Demokratie in der Entwicklung Indiens?

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Bruttoinlandprodukt pro Kopf in Indien seit 1600.

Demokratie spielt eine grosse Rolle, denn wir fühlen uns als Teil des Landes und des Weges, den wir zusammen gehen. Wir haben die Möglichkeit, unsere Politiker zu wählen. Bei der letzten Wahl haben 600 Millionen Menschen in einer Million Wahllokalen gewählt. Wir nehmen teil an der Entwicklung unseres Landes.
Sie haben die Digitalisierung erwähnt. Haben Sie dazu Zahlen?
Indien hat heute mehr als 900 Millionen Internetnutzer. Vor zehn Jahren waren es weniger als 100 Millionen. Damals war Indien auf Platz 122 in Bezug auf den Datenverbrauch pro Kopf. Jetzt ist Indien die Nummer eins. Der Datenkonsum ist pro Kopf grösser als jener von China und den USA zusammen. Im März 2023 haben vierzig Prozent der digitalen Transaktionen der Welt in Indien stattgefunden. Wir sehen eine unglaubliche Digitalisierung des Landes.
Welche Chancen bietet die indische Wirtschaft für Investoren aus dem Ausland?
Die Entwicklung der Wirtschaft ist enorm. Die erste Billion Bruttosozialprodukt hat uns 60 Jahre Entwicklung gekostet, die zweite Billion brauchte siebeneinhalb Jahre, die dritte Billion kam in fünf, jetzt werden wir alle zwei Jahre eine Billion hinzufügen.
Was muss ein Investor aus der Schweiz beachten?
Wer über die Möglichkeiten in Indien und die Explosion der Nachfrage und des Verbrauchs in Indien mehr wissen will, der soll uns am besten besuchen. Denn Sie wissen dann mehr als wenn Sie Zeitungsartikel lesen oder in ihrer Heimat Leuten zuhören. Der Schlüssel ist, nach Indien zu kommen und mit den Leuten zu reden, den Markt besser zu verstehen und sich von den Menschen beflügeln zu lassen.
Sie haben Snapdeal aufgebaut. Was waren die grössten Hürden, die Sie dabei überwinden mussten?
Als ich vor 13 Jahren angefangen habe, gab es weniger als 10 Millionen Internetnutzer in Indien. Ich habe die gesamte Entwicklung von 10 Millionen auf fast einer Milliarde Internetnutzer erlebt. Am Anfang gab es einfach nicht genug Kunden, die online waren. Unternehmen, die jetzt anfangen, oder Start-ups, haben eine andere Art von Problemstellung als wir. Sie haben vielleicht zu viel Wettbewerb, während für uns der Markt zu klein war.
Was muss man als Unternehmen in Indien beachten?
Indien ist jetzt das bevölkerungsreichste Land der Welt. Aber es ist kein homogenes Land. Es gibt verschiedene Kulturen, Sprachen und verschiedene Regionen haben unterschiedliche Vorlieben. Nicht jeder will die gleichen Dinge kaufen und nicht überall ist das Einkommensniveau gleich. Unternehmen müssen herausfinden, welches Segment der Bevölkerung, sie ansprechen wollen. Aber in Indien ist jedes Segment riesig .
Haben Inder ein besonderes unternehmerisches Gen?
Die kurze Antwort ist Ja. Inder sind sehr unternehmerisch und drei Jahrhunderte lang sind wir unserem Potenzial hinterherhinkt Bis ins Jahr 1700 Jahre war Indien an der Spitze der Länder mit dem grössten Bruttosozialprodukt der Welt. Dann sind wir für 350 Jahre zurückgefallen. Jetzt ist unsere Zeit endlich gekommen. In allen Wirtschaftssektoren sehe ich engagierte Unternehmensgründer die neue Möglichkeiten sehen und Geschäfte aufbauen.

Kunal Bahl im Interview mit Dominik Feusi:


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