Somms Memo
Klimaschutzgesetz: Wenn ein Gebet realistischer ist als die Energiepolitik des Bundes, dann hilf uns Gott.
Ohne neue AKWs wird es nicht gehen. Lieber heute planen als morgen im Kalten sitzen. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: Seit gut zwanzig Jahren muss die Schweiz im Winter Strom importieren. Das Klimaschutzgesetz vertieft diese Versorgungslücke.
Warum das wichtig ist: Nichts gegen Wärmepumpen, nichts gegen E-Autos. Alles sinnvoll – sofern wir mehr Strom produzieren. Viel mehr. Nur neue AKWs sind dazu in der Lage.
Roberto Schmidt ist ein guter Katholik, so scheint es, und er glaubt an Wunder, weswegen er sich in diesen Tagen wie so oft in Lourdes aufhält, jenem besonderen Ort, wo der heiligen Bernadette 1858 mehrere Male die Muttergottes erschienen ist.
- Vermutlich ist das Schmidt, im zivilen Leben ein christlichsozialer Staatsrat des Kantons Wallis (Mitte), dieses Jahr nicht vergönnt gewesen
- Dennoch hat er es mit den Wundern: Wie die NZZ heute berichtet, hat Schmidt ohne jede wissenschaftliche Grundlage vor Wochen einfach behauptet, sein Kanton erleide jedes Jahr «Klimakosten» in der Höhe von 250 Millionen Franken
Gefragt vom NZZ-Journalisten David Biner, woher er die Zahle denn habe, lässt Schmidt aus Lourdes mitteilen, es handle sich um eine «Schätzung», die er aufgrund der mündlichen Angaben seiner Dienststellen vorgenommen habe, – wovon diese «Dienststellen» aber nichts wissen, wenn die NZZ nachfragt.
Erkundigt sich Schmidt so häufig bei seinen Beamten, dass sie sich schlicht nicht mehr an eine einzelne Anfrage erinnern können – oder hat er sich gar nie erkundigt, sondern auf die Muttergottes vertraut?
Jedenfalls kursiert die Zahl in der Öffentlichkeit heute als «Tatsache», die selbst ein Mann wie Reto Knutti, ETH-Professor im Hauptberuf, Prophet der Apokalypse im Nebenamt, als eine solche verbreitet. Knutti, der Wunderprofessor.
Der Vorfall ist symptomatisch für die zuweilen esoterische Debatte über das Klima – und das Gesetz, das dieses angeblich schützen will.
Auf Wunder hofft man allenthalben.
- Das Klimaschutzgesetz, über das wir in gut zehn Tagen abstimmen, schreibt das Netto-Null-Ziel für Treibhausgase bis 2050 zwar ins Gesetz – wie wir das erreichen sollen, überlässt es aber unserem Glauben an die Auferstehung des Stromes
- Ebenso wirft der Bund viel Geld auf, um die Hausbesitzer dazu zu bewegen, ihre Heizung auf Wärmepumpen umzustellen – dabei uns versichernd, das Klimaschutzgesetz komme ganz ohne neue Subventionen und Steuernaus. Aber irgendwer wird es bezahlen müssen. Der Goldene Esel oder das Goldene Kalb?
Die Auferstehung des Stromes. Das ist vielleicht die erstaunlichste Fehlüberlegung in diesem Gesetz. Man verführt den Bürger dazu, seine Heizung auf Strom umzurüsten, was unseren Strombedarf weiter steigern wird – ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, woher denn der zusätzliche Strom kommen soll?
Das wirkt etwa so, wie wenn eine Mutter oder ein Vater den Kindern ein Mittagessen verspricht, ohne die nötigen Zutaten für das Essen einzukaufen. Trotzdem wünschen wir guten Appetit. Hurra, heute gibt es Luft mit Sauce.
Dabei ist unsere Stromversorgungslage schon jetzt prekär. Insbesondere im Winter – und darum geht es. Denn nach wie vor neigen die Schweizer dazu, im Winter mehr heizen zu wollen als im Sommer.
- Seit 2000/01 muss die Schweiz im Winter Strom importieren, weil wir zu wenig haben. (Einzige Ausnahmejahre: 2001/02 und 2019/20)
- Durchschnittlich sind es 5 Terrawattstunden, die uns fehlen
Wenn wir allerdings all das machen, was uns die Grünen, die SP, aber auch Bundesrat und Parlament empfehlen, wird die Lage noch prekärer. Der Importbedarf im Winter wird ins Unermessliche steigen.
- Wärmepumpen brauchen mehr Strom
- E-Autos brauchen mehr Strom
- und eine wachsende Bevölkerung braucht mehr Strom, die im Übrigen wächst, weil Bundesrat und Parlament uns das so ans Herz legen
Mit anderen Worten, das neue Klimaschutzgesetz ist ein Black-Out-Gesetz. Es bringt uns dem Kollaps der schweizerischen Stromversorgung näher. Das wird mehr umso mehr der Fall sein, weil wir ja gleichzeitig, als hätten wir sonst keine Sorgen, die AKWs abstellen möchten.
Damit verlieren wir im Winter weitere rund 14 Terrawattstunden – oder 40 Prozent der gesamten Winterproduktion.
Unsere Energiepolitik, die schon heute eine Energieimportpolitik, wird vollends eine Super-Energieimportpolitik.
Wenn sich der Bund jetzt vor der Abstimmung beklagt: «Die Schweiz ist bei ihrer Energieversorgung heute stark vom Ausland abhängig», (Faktenblatt zum «Klima- und Innovationsgesetz»), dann muss man feststellen:
- Die Kommunikationsbeamten, die das geschrieben haben, besitzen entweder Chuzpe
- Oder sind unverschämt – wie es einem Bundesbeamten noch vor wenigen Jahren nie eingefallen wäre
Denn gemäss der neuesten Energieperspektive, die der Bund 2021 in Auftrag gegeben hat (EP2050+), wird die Schweiz im Jahr 2035, wenn alle AKWs vom Netz gehen, dazu gezwungen sein, mehr als einen Drittel ihres Winterstromes aus dem Ausland zu beziehen, oder mehr als doppelt so viel wie heute.
Das wusste man schon 2021 – und keine einzige Massnahme im Klimaschutzgesetz sorgt dafür, dass sich diese Abhängigkeit verringerte, sondern im Gegenteil, wie oben ausgeführt, der grossflächige Umstieg auf Wärmepumpenwird diese Abhängigkeit ausweiten.
Doch die Energiebeamten warnen uns vor zu grosser Auslandabhängigkeit – und zwinkern mit den Augen:
- Chuzpe
- oder Propaganda?
Wenn ich schliesslich berücksichtige, woher dieser Importstrom gemäss Annahmen des Bundes kommt, dann verschlägt es mir die Sprache:
- Nämlich aus Frankreich (Atomstrom)
- Und Italien (Gaskraftwerke), wobei das Gas jetzt nicht mehr aus Russland stammt, sondern aus Angola und Kongo. Italien hat vor kurzem entsprechende langfristige Lieferverträge abgeschlossen
Das zum Thema fossile Brennstoffe, die wir ab 2050 auf ewig in die Hölle verdammen.
Ich meine es nicht ironisch. Bei allen diesem Wunschdenken, den vielen Falschbehauptungen und Flunkereien hilft nur noch das Gebet. Wer betet, ist realistischer:
«Gegrüsst seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen»
Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Tag
Markus Somm