Somms Memo

Klimapolitik: Die Schweizer möchten nicht aufs Auto, Fleisch oder das Fliegen verzichten.

image 24. August 2023 um 10:00
Gutes Schweizer Fleisch. Mehrheitsfähig seit dem Hohen Mittelalter. (Bild: Keystone)
Gutes Schweizer Fleisch. Mehrheitsfähig seit dem Hohen Mittelalter. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: 69 Prozent der Schweizer halten den Klimawandel für ein «ernstes Problem». Warum das wichtig ist: Auf irgendetwas verzichten möchten sie aber eher nicht: weder aufs Fliegen noch aufs Auto oder Fleisch. Wie nennt man dieses Verhalten?
  • Man verurteilt den Zustand der Welt im Allgemeinen – und im Besonderen die Verschwendung, den Konsum und die damit zusammenhängende Umweltzerstörung
  • Und bucht am nächsten Morgen einen Flug auf die Malediven oder holt das neue Auto in der Garage ab, um die Kinder in die Kita zu bringen

Früher sprach man von Heuchelei – heute stellt es den wiederkehrenden Befund jüngster Umfragen dar.  Wenn man die Menschen fragt, was sie vom Teufel halten, weisen sie jede Sympathie weit von sich, geht es dann aber um die Einhaltung der zehn Gebote, werden die meisten Befragten etwas kleinlauter. Daran musste ich denken, als ich die Ergebnisse einer gross angelegten Untersuchung des Meinungsforschungsinstitutes gfs.bern studierte, die in diesen Tagen veröffentlicht worden ist. Auftraggeber war die SRG.
  • 69 Prozent betrachten den Klimawandel als ein «ernstes Problem» und sie erkennen «unmittelbaren Handlungsbedarf»
  • Nur 6 Prozent glauben, der Klimawandel sei «nicht menschengemacht»
  • Und 66 Prozent finden die Aussage richtig oder eher richtig, wonach wir uns dafür «vom hohen Lebensstandard zu verabschieden» haben, den wir heute geniessen

Wenn die Forscher dann aber nachhaken und wissen wollen, auf was man konkret denn verzichten würde, um einen persönlichen «Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels» zu leisten, dann fallen die Antworten etwas uneuphorischer aus. Eine Auswahl:
  • Zwar sind immerhin 42 Prozent bereit, ihre Wohnung nicht über 20 Grad Celsius zu heizen – ein Vorsatz, der vielleicht auch etwas leichter fiel, weil die Umfrage im April und nicht im Januar vorgenommen wurde
  • Ebenso können 35 Prozent ohne Ölheizung leben – wobei man gerne erfahren würde, ob sie selbst eine Wärmepumpe angeschafft haben oder bloss in eine neue Wohnung gezogen sind, wo der Vermieter das schon vollzogen hat

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Geht es dann aber um das Eingemachte, sprich Vorschläge, wo wir uns klar einschränken müssen, und deren Vollzug nicht an andere delegiert werden kann, dann stellen wir Schweizer uns als moralische Entfesselungskünstler heraus: Fliegen?
  • Nur 36 Prozent steigen nie mehr in ein Flugzeug (oder kündigen das an)
  • 64 Prozent heben weiter gerne ab, sofern nötig, eine Antwort, die auch die Empirie bestätigt. Der Flughafen Kloten verzeichnete diesen Sommer von neuem eine rekordverdächtige Zahl von Flugbewegungen

Auto mit Verbrennungsmotor?
  • Bloss 22 Prozent verzichten heute schon darauf und 13 Prozent wären vollständig dazu bereit – wobei die Forscher offenlassen, wie viele Studenten darunter sind, deren Arbeitsweg sich heute auf ein paar Meter zwischen WG und Hörsaal beläuft
  • Die klare Mehrheit dagegen, 65 Prozent, ist nicht der Auffassung, dass das Auto mit Verbrennungsmotor der Vergangenheit angehört – und sie möchte keinesfalls ohne auskommen

Am wenigsten beliebt ist schliesslich der Vegetarismus zum Zwecke der Weltrettung. Fleisch ist keineswegs umstritten – wie das die einen oder anderen Journalisten implizieren:
  • Bloss 15 Prozent geben an, sie ernährten sich ohne Fleisch, während die Mehrheit seinen Fleischkonsum etwas reduzieren möchte oder gar nicht

The Big Picture: Wenn wir bedenken, dass es sich hier samt und sonders um Aussagen handelt, wo nie gemessen werden kann, ob die Leute überhaupt die Wahrheit gesagt haben, und wir davon ausgehen, dass wir alle uns etwas besser darstellen, als wir sind, – dass also mit anderen Worten die reale Bereitschaft zum Verzicht wohl noch geringer ausfällt, dann sind das – je nach Standpunkt – erschütternde oder aufschlussreiche Antworten.
  • Erschütternd für die Linke, weil viele Rezepte, die sie in der Klimapolitik empfehlen, darauf hinauslaufen, dass wir uns einschränken, wenn nicht gar auf Wohlstand verzichten müssten
  • Aufschlussreich für die bürgerlichen Realisten, weil sich zeigt, dass die Linke und ihre Klimapolitik nie und nimmer mehrheitsfähig sind, wenn man die Bürger konkret um ein persönliches Opfer bittet

Ein Befund, den auch die jüngste Geschichte belegt:
  • Das CO2-Gesetz war konkret, kostete etwas und bat um Verzicht: Es fiel durch (2021)
  • Das Klimaschutzgesetz versprach eine bessere Welt am Sankt-Nimmerleins-Tag, Netto-Null für alle, es war eine Feel-Good-Vorlage ohne dass jemand zu einem Beitrag verpflichtet wurde: Es kam deutlich an (2023)

Warum wohl? Weil 69 Prozent im Klimawandel ein «ernstes Problem» sehen und «unmittelbaren Handlungsbedarf» orten. Nur sollen die anderen handeln. So sind wir Menschen. Und deshalb sind bessere, realistischere Ansätze gefragt, um dem Klimawandel Herr zu werden, den ich nicht bestreite und den auch ich für ein «ernstes Problem» halte. Doch führt dieser Weg nicht via Steinzeit in die Zukunft. Dazu in einem nächsten Memo mehr. Oder wie es Karl Kraus, der grosse österreichische Spötter, formuliert hat: «Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann.» Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag Markus Somm Wer es genauer wissen will:
Studie gfs.bern

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