Somms Memo
Joe Biden tritt noch einmal an. Trump macht ihn unschlagbar. Oder etwa nicht?
Joe Biden, US-Präsident, an einer öffentlichen Veranstaltung.
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Die Fakten: US-Präsident Joe Biden dürfte morgen Dienstag ankündigen, dass er noch einmal antritt. Nie gab es einen älteren Kandidaten.
Warum das wichtig ist: Donald Trump ist Bidens Lebensversicherung. Gegen Trump – das zeigen die Umfragen – würde er gewinnen. Ob das für immer gilt?
Als Ronald Reagan – lange einer der ältesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte – 1989 seine Amtszeit beendete, stand er im Alter von 77 Jahren. Joe Biden war schon 78, als er 2021 ins Weisse Haus einzog.
- Wenn er sich im November 2024 der Wiederwahl stellt, zählt er 81 Jahre
- Und würde er seine zweite Amtszeit dann wie vorgesehen im Januar 2029 vollenden, dann verliesse er das Weisse Haus im Alter von 86 Jahren
Mit dem Helikopter oder mit dem Rollator?
Bei allem Respekt vor der Weisheit des Alters – irgendwie ist das doch absurd. Gewiss, auch Donald Trump wird im Juni 77 Jahre alt – genauso kein Springinsfeld – und ich habe an dieser Stelle schon oft gesagt, dass ich es begrüssen würde, wenn er sich nicht mehr um die Präsidentschaft bemühte – wenn auch aus anderen Gründen.
- Soviel ich weiss, kümmert sich Donald Trump aber nicht darum, was ich ihm empfehle
- Hier geht es um Biden – und seine Demokraten
Denn Bidens erneute Kandidatur mag verständlich sein – aus seiner Sicht, der ein Leben lang Präsident werden wollte, – und auch die Demokraten stecken in einem Dilemma:
- Gegen Trump, der gemäss Meinungsforschern das Feld der republikanischen Kandidaten deutlich anführt, wäre Joe Biden der wirksamste Kandidat der Demokraten
- Das deuten die Umfragen an: Wenn sich Biden und Trump noch einmal gegenüberstehen, dann gewinnt Biden. Gemäss einer aktuellen Untersuchung des Wall Street Journal schlüge er Trump mit 3 Prozentpunkten
Trump ist schon einmal gegen Biden gescheitert, – an ihm, der sich für den besten Gewinner hält, klebt inzwischen das Image des schlechtesten Verlierers. Ebenso hat es Trump weder 2016 noch 2020 fertiggebracht, eine Mehrheit der Amerikaner auf seine Seite zu bringen. Biden erzielte 7 Millionen Stimmen mehr als Trump
Mit anderen Worten: Wenn auch kein Republikaner bei seinen eigenen Leuten so beliebt ist wie Trump – so ist der gleiche Trump geradeso verhasst bei den Demokraten, und worauf es noch mehr ankommt: Niemand stösst die Wähler in der Mitte oder die Leute, die sich als «unabhängig» registrieren, so flächendeckend ab wie Trump.
So gesehen, könnte man meinen, sollte nichts anbrennen für die Demokraten, sofern Biden es sich noch einmal zutraut. Halleluja im Hauptquartier der Demokraten?
Selbstverständlich ist das nicht der Fall. Bidens Ambitionen bergen sehr viel mehr Risiken – und den klügsten Demokraten dürfte das bewusst sein. Es sind vielleicht drei:
- Das Alter – ein No-Brainer, aber einer mit vielen Varianten. Was geschieht zum Beispiel, wenn sich Bidens Gesundheitszustand noch während des Wahlkampfes gefährlich verschlechterte, aber er bereits nominiert ist? Sind die Demokraten dann noch in der Lage, einen neuen Kandidaten aufzubauen – unter Druck, ohne parteiinternes Wahlverfahren? Wenn sich Biden 2020 gegen Trump durchsetzte, dann lag das auch daran, dass er sich kaum in den Wahlkampf begeben musste. Es herrschte Corona. Biden zog sich in den Keller seines Hauses in Delaware zurück und mischte sich kaum unter die Wähler. Seine physischen Unzulänglichkeiten wurden so kaum sichtbar – obwohl sie sich schon damals bemerkbar machten. Das wird jetzt anders sein – und er ist noch einmal vier Jahre älter geworden
- Zwar kommt derzeit bei den Republikanern niemand an Trump vorbei. Was aber, wenn sich Trump zurückzieht oder in den Vorwahlen wider Erwarten schlecht abschneidet und am Ende ein anderer Kandidat nominiert wird? Noch ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es so kommt. Wenn aber Biden gegen einen jüngeren Republikaner wie Ron DeSantis antreten muss, dann hat er es viel schwerer: gemäss Wall Street Journal verlöre er mit 3 Prozentpunkten. Dann wäre für die Demokraten ein jüngerer Kandidat besser
3. Biden muss sich darauf gefasst machen, dass dieses Mal sehr viel härter und wohl auch effektiver gegen ihn recherchiert wird. Dabei spielen ironischerweise nicht die Medien die zentrale Rolle (sie unterstützen in ihrer Mehrheit sowieso Biden), sondern die Republikaner, die jetzt das Repräsentantenhaus beherrschen. Bereits haben sie diverse Untersuchungen gegen Biden und seine Regierung angestrengt. Was letzte Woche herauskam, gab bloss einen Vorgeschmack ab. Einen sehr bitteren
Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte von Hunter Bidens Laptop? Hunter ist der Sohn von Joe Biden. Kurz vor der Wahl im November 2020 machte die konservative New York Post bekannt, dass sie einen Laptop von Hunter gefunden hatte, auf dem zahlreiche verdächtige Emails aufgetaucht waren. Verdächtig, weil sie darauf hinwiesen, dass Hunter in zahlreiche dubiose Geschäfte verstrickt war, wobei er dafür seinen berühmten Namen eingesetzt hatte. Selbst Joe Biden schien womöglich involviert.
- Waren die Bidens also korrupt? Eine Frage, die den Wähler wohl durchaus beschäftigt hätte – wäre ihm dieser Sachverhalt je bekannt geworden
- Das war allerdings nicht der Fall, weil so gut wie alle Medien, insbesondere Social Media wie Twitter oder Facebook, die Geschichte unterdrückten
Das fiel ihnen umso leichter, als kurz nach dem Scoop der New York Post ein Brief erschien, worin 51 hoch angesehene Vertreter des amerikanischen Sicherheitsapparates – darunter auch ehemalige CIA–Direktoren – versicherten, die Geschichte der New York Post weise alle Eigenschaften russischer Desinformation auf. Kurz, es handle sich um Fake News, nein schlimmer noch: um russische Propaganda.
Inzwischen wissen wir, dass Hunters Laptop tatsächlich existiert, und diese Emails ihn auf jeden Fall in ein schiefes Licht rücken. Das FBI ermittelt, die New York Post hatte recht.
Nun wurde letzte Woche bekannt, dass dieser Brief kein spontaner Einfall besorgter Spione gewesen war, sondern dass Joe Bidens Wahlkampfteam diesen Brief in Auftrag gegeben hatte.
- Antony Blinken, heute Aussenminister, damals ein enger Berater von Biden, höchstpersönlich rief Mike Morell an, der unter Barack Obama als stellvertretender CIA-Direktor tätig gewesen war, und bat ihn, einen solchen Brief zu organisieren
- Was Morell umgehend tat, um «Vizepräsident Biden zu helfen», «die Wahl zu gewinnen», wie er in einer Vernehmung durch zwei zuständige Kommissionen des Kongresses zugab. Die Protokolle dieser Vernehmung wurden nun veröffentlicht
Hat dieser Brief, wo 51 hochrangige Geheimdienstleute wohl wider besseres Wissen die Unwahrheit sagten, die Wahl entschieden? Immerhin hatten sie diese fabrizierten Nachrichten im Auftrag von Biden verbreitet – und sich dabei auf die Autorität berufen, die ihnen ihre vormalige Tätigkeit zum Schutze des eigenen Landes verliehen hatte. Sie täuschten den Bürger und den Wähler. Wenn Patrioten Unpatriotisches tun.
Wir wissen es nicht. Gut möglich. Jedenfalls fand wenige Tage darauf die letzte Fernsehdebatte vor der Wahl zwischen Trump und Biden statt. Hier sprach Trump Biden natürlich auf die Hunter-Biden-Geschichte an. Biden entgegnete:
«Schauen Sie, es gibt 50 ehemalige nationale Geheimdienstleute, die klarstellten, dass das, was [Präsident Trump] mir nun vorwirft, ein russischer Plan ist. Sie sagten, dass diese Geschichte alle Eigenschaften besitzt, die das plausibel machen. Vier, fünf ehemalige CIA-Direktoren, von beiden Parteien, sagen, dass das, was er [Trump] sagt, ein Haufen Mist ist!»
Mist war der Brief. Mehr Mist dürfte noch auftauchen.
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Wochenstart
Markus Somm