Printausgabe

Im warmen Saal debattiert sichs besser

image 25. April 2023 um 07:00
Helmut Jacek
Helmut Jacek
Es ist zu kalt im Saal, reklamierten die Ständeräte nach der abgeschlossenen Wintersession. 20 Grad – das hält ja niemand aus! Männer und Frauen Volksvertreter, die sich von zu Hause oder im Büro 24 Grad gewohnt waren, wurden angeblich reihenweise krank. Vom Volk wurde jedoch wegen der drohenden Energieknappheit im Herbst individuelles Energiesparen erwartet. Nur konsequent, als Altbundesrätin Simonetta Sommaruga am Ende ihrer Amtszeit im Dezember das Volk aufrief, unter anderem zu zweit zu duschen, und im Bundeshaus die Raumtemperatur runterschrauben liess. Auf 20 Grad, das muss reichen. Reicht auch, wenn man tüchtig arbeitet.

2,4 kWh Eigenleistung

Rund 100 Watt Leistung produziert ein Mensch, macht bei achtstündiger Anwesenheit 0,8 kWh/Person, also knapp 2,4 kWh Eigenleistung pro Tag, wenn alle Parlamentarier da wären. Plus die Leistung des Publikums, der anwesenden Bundesräte, Weibel und Presseleute sowie von deren wärmeproduzierenden Geräten. Mit dieser Energieproduktion in Form von Wärme liesse sich ein kleines Einfamilienhaus drei Wochen lang heizen. Natürlich nur, wenn alle im Bundeshaus auch ihre Gehirne arbeiten lassen, denn dieses generiert einen Fünftel der Gesamtenergieproduktion eines durchschnittlichen Menschen.

Grundtemperatur sichergestellt

Für eine gewisse Grundtemperatur dürfte also allein durch den Sessionsbetrieb der eidg. Räte gesorgt sein. Das Problem dabei: Wärme steigt. In der Kuppel des Nationalratsaals ist es um einiges wärmer als auf dem Parkett. Die Haustechniker im Bundeshaus planten bereits, eine Hebebühne zu installieren, die den Boden zu Beginn der Sitzungen zehn Meter anheben sollte. Doch man sah davon ab, weil dadurch die Bewegungsfreiheit der Parlamentarier eingeschränkt würde. Es könnte nämlich niemand mehr zu spät erscheinen oder früher gehen.

Sackwärmerverkauf eingestellt

Um Unmut und Abwesenheiten infolge Krankheit im Bundeshaus entgegenzuwirken, liess die frischgewählte Ständeratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller die Raumtemperatur während der Wintersession per präsidialer Anordnung wieder auf 22 Grad anheben. Den fliegenden Händlern vor dem Bundeshaus, die im Dezember pragmatisch ihr Sortiment umstellten und statt Billigsonnenbrillen und Halsketteli seit Dezember Kappen, Schals und sogenannte «Hosensackwärmer» aus chinesischer Massenproduktion anboten, gefiel das nicht wirklich.
Nebelspalter-Abo bestellenWeil Humor die beste Medizin ist. Bestellen Sie jetzt das älteste Satiremagaz der Welt.Jahresabo (10 Ausgaben, CHF 98) Probeabo (3 Ausgaben, CHF 20) Geschenkabo (10 Ausgaben, CHF 98)
Sie können das Abo auch telefonisch bestellen: +41 44 242 87 87
image


#WEITERE THEMEN

image
Grosses Interview zum Fachkräftemangel

Professor Eichenberger: «Unser Steuersystem bestraft zusätzliche Arbeit hart»

28.5.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR