Gleichstellungsbehörde missachtet Gleichstellungsgesetz
Wirklich ein Gleichstellungspolitiker? Beat Jans, Regierungspräsident im Kanton Basel-Stadt. Foto: Keystone
Thomas Landolt versteht die Welt nicht mehr. Als Gründer und Inhaber der Landolt & Mächler Consultants AG bietet er ein zertifiziertes System an, um die Lohngleichheit in Unternehmen zu prüfen. Sein Unternehmen zählt zu den grossen Anbietern von Salärvergleichen in der Schweiz und kann auf eine fast 30-jährige Erfahrung in diesem Bereich zurückblicken.
Aufmerksam verfolgte Landolt auch die Entstehung und Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes (GlG). Dieses regelt unter anderem das Prozedere bei der Analyse der Lohngleichheit. Dabei ist die Methode dieser Analyse dem Markt überlassen. Gesetzliche Bedingung ist einzig, dass sie wissenschaftlich und rechtskonform durchgeführt wird (Art. 13 c).
Seit dem 1. Juli 2020 – damals trat die betreffende Gesetzesänderung in Kraft – konnte Landolt rund 250 Firmen ein Zertifikat überreichen, das die Einhaltung der Lohngleichheit bestätigt. Doch im Frühling dieses Jahres wurde er nun von einem Kunden überraschend darauf hingewiesen, dass es im Kanton Basel-Stadt Probleme gebe. Es blieb nicht beim Einzelfall: Innert Kürze meldeten sich weitere Kunden. Unisono berichteten sie, dass Basel-Stadt das Zertifikat des privaten Anbieters nicht akzeptiere.
Ohne weitere Begründung dekretierte die zuständige Gleichstellungsabteilung im Präsidialdepartement von Regierungspräsident Beat Jans (SP), dass ausschliesslich das vom Bund entwickelte Lohnanalyse-Tool Logib verwendet werden dürfe. Ansonsten würden die Bewerbungen nicht berücksichtigt.
Entgangene Millionenaufträge
Die Konsequenz: Firmen, die sich gesetzeskonform bewerben und die rechtmässigen Dienste der Privatwirtschaft in Anspruch nehmen, werden von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen bzw. dazu gezwungen, nach erfolgreicher Lohngleichheitsprüfung erneut eine ressourcenintensive Analyse durch Logib vorzunehmen.
Dem «Nebelspalter» liegen Dokumente von Bewerbern um öffentliche Aufträge im Kanton Basel-Stadt vor, die bestätigen, dass die Behörden Bewerbungen zurückweisen, wenn der Nachweis der Lohngleichheit nicht mit Logib erbracht worden ist. Dabei geht es – beispielsweise im Ingenieur- und Bauwesen – schnell einmal um Aufträge von mehreren Millionen Franken.
«Schleichende Monopolisierung»
Der «Nebelspalter» hat sich mit der Verwaltungsrechtsspezialistin Isabelle Häner über den Fall unterhalten und sie um eine juristische Einschätzung gebeten. Häner ist Titularprofessorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich und Partnerin in der Anwaltskanzlei Bratschi. Sie sagt: «Wenn die Verwaltungen bei öffentlichen Ausschreibungen nur noch Logib akzeptieren, dann wird die Lohngleichheitsprüfung monopolisiert und die privaten Anbieter werden aus dem Markt gedrängt. Man muss deshalb von einer schleichenden Monopolisierung sprechen.»
Dies entspreche weder dem Willen des Gesetzgebers noch der entsprechenden Verordnung des Bundesrats. «Gerade der Bundesrat erklärte zudem, dass auch bei den Kontrollen im Rahmen von Ausschreibungen nicht nur das Logib angewendet werden dürfe.»
Neben dem Parlament und dem Bundesrat habe sich auch das Bundesgericht in diesem Sinne geäussert: «Das Bundesgericht hat bereits sehr früh im Rahmen von Lohngleichheitsklagen rechtsverbindlich festgehalten, dass es verschiedene Methoden gibt, um die Lohngleichheit zu prüfen und es nicht nur eine einzig richtige Methode gebe», so Häner.
Jans im Clinch mit Gleichstellung
Mit seiner Vergabepraxis stellt sich der Kanton Basel-Stadt in Widerspruch zum Bundesrecht. Und nicht nur das: Er benachteiligt willkürlich Firmen aus der Privatwirtschaft. Das ist umso brisanter, als die Verantwortung für den Fall bei der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern liegt. Und diese wiederum ist direkt dem Präsidialdepartement von Beat Jans unterstellt. Auf die Frage, wo er die Schwerpunkte seines Präsidialjahres setze, nannte Jans in einem Interview vom Juni 2021 an erster Stelle die «Gleichstellung».
Damit stehen wir hier vor der schwer nachvollziehbaren Tatsache, dass eine Gleichstellungsbehörde das Gleichstellungsgesetz missachtet und – angetreten, um die Diskriminierung zu beseitigen – selbst diskriminierend handelt. Dass diese Behörde überdies von einem Regierungsrat geführt wird, der sich in erster Linie als Gleichstellungspolitiker definiert, ist eine mehr als nur eine ironische Pointe dieses Falls.
Lesen Sie im zweiten Teil unserer Serie, wie das Präsidialdepartement unter Beat Jans die Missstände im Beschaffungswesen des Kantons Basel-Stadt unter den Tisch wischt und jedes Warnsignal ignoriert.