Bundeshaus-Briefing #17

Familiennachzug, Kartellgesetz, Cannabis

image 12. August 2023 um 03:30
SVP-Nationalrat Thomas Matter (rechts) bei der Einreichung der «Halbierungsinitiative». (Bild: Keystone)
SVP-Nationalrat Thomas Matter (rechts) bei der Einreichung der «Halbierungsinitiative». (Bild: Keystone)
Willkommen zum Bundeshaus-Briefing Nummer 17 des Nebelspalters. Die wichtigsten drei Themen der kommenden Woche:
  • der Familiennachzug von ausländischen Verwandten von Schweizern.
  • eine umstrittene Revision des Kartellrechts.
  • Tabakprävention und Cannabis-Legalisierung.
Briefing kostenlos abonnieren
Hinweis: Das Bundeshaus-Briefing gibt es auch als Podcast. In allen Podcast-Apps, oder jetzt hier reinhören.
image

Das gibt zu reden

Die nächste Auseinandersetzung über die SRG ist mit der Einreichung der «Halbierungs-initiative» lanciert. Die Befürworter wollen die SRG halbieren, indem sie die Gebühren für Private auf 200 Franken pro Jahr senken und jene für Unternehmen abschaffen. Initiant und SVP-Nationalrat Thomas Matter sagte vor den Medien: 
«Das Hautproblem ist, dass die SRG zu viel Macht hat. Das kommt nicht zuletzt vom 1,4-Milliarden-Budget. Diese Macht führt zu einer unausgewogenen Berichterstattung. Mittlerweile müssen selbst die Linken zugeben, dass die SRG politisch nicht mehr neutral ist.» Die Gegner der Initiative gingen schon am Wochenende aufs Ganze. Für SRG-Generaldirektor Gilles Marchand ist die SRG «Teil der schweizerischen Identität» und die Initiative deshalb eine «Attacke auf die Schweiz.» Auf eine Diskussion, was denn Service Public einer öffentlich-rechtlichen Anstalt im 21. Jahrhundert sein könnte und wie es mit der einseitigen Berichterstattung tatsächlich aussieht, lassen sich die Gegner nicht ein. Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. Die SRG erreicht selbst mit ihren Blockbustern nur noch in Ausnahmefällen mehr als 15 Prozent der Bevölkerung – und dort vor allem die ältere Generation. Erfolgreich ist der Sport und einige DOK-Filme (siehe «Hitliste» der SRG seit 2013 als PDF).  Meine Beurteilung: Die Verteidiger der SRG sind nicht bereit, auch nur den Service Public der SRG zum Beispiel in einer neuen Konzession genauer zu definieren. Damit will die SRG auch jede Debatte über einen Gegenvorschlag verhindern, sondern weitermachen wie bisher. Die SRG soll machen, was sie selbst als Service Public definiert. Die Strategie ist riskant – und funktioniert nur, wenn Bundesrat Albert Rösti (Mitglied im Initiativkomitee) mitmacht – und das überalterte Publikum der SRG geschlossen an die Urne geht.  Wir haben eine verkehrte Welt: Die sich progressiv gebende Linke steht auf der Seite des Rentnerfernsehens. Die als konservativ betitelte SVP auf Seite der Jungen. Was auch immer mit der Initiative passiert: Viel gefährlicher als der politische Druck ist der technologische Wandel: Die Konsumenten der SRG sterben einfach aus.

Was nächste Woche aktuell wird

Das politische Bern erwacht aus dem Sommerschlaf. Nächste Woche findet die erste Bundesratssitzung statt. Die Regierung muss Stellung nehmen zu einer Parlamentarischen Initiative von SP-Nationalrat Angelo Barrile (ZH), welche Schweizern den Familiennachzug von Eltern und Enkelkindern zugestehen möchte, wie es EU-Bürgern bereits erlaubt ist. Die SVP hat gegen das Vorhaben bereits das Referendum angekündigt. Der Bundesrat dürfte das Geschäft unterstützen. Die Bahninfrastruktur wird ebenfalls Thema sein. Der Bundesrat hat vor, 2025 bis 2028 gut 15 Milliarden Franken in die Bahnen zu stecken – so viel wie noch nie. Einen Rückstand im Substanzerhalt besteht allerdings trotzdem. Es gibt keine andere Technologie aus dem 19. Jahrhundert, die derart viel Geld von der öffentlichen Hand erhält.  Und dann steht in den nächsten Wochen die Wahl des Staatssekretärs für Sicherheit an. Da die bisherige Favoritin Pälvi Pulli, heutige Chefin Sicherheitspolitik im VBS, in Sachen Neutralität mindestens so umstritten ist wie die eben erst über genau dieses Thema gestrauchelte Ruag-Chefin Brigitte Beck, dürfte der Entscheid entweder noch etwas Zeit oder eine andere Lösung brauchen.
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates beginnt am Donnerstag die Beratungen über ein neues Kartellrecht. Damit sollen die Verfahren beschleunigt und unternehmerfreundlicher ausgestaltet werden. besonders umstritten ist dabei der Auftrag des Parlamentes, die Wettbewerbskommission zu verpflichten, auch bei harten Wettbewerbsabreden genau zu prüfen, inwiefern der Wettbewerb tatsächlich behindert wurde (Link zur Medienmitteilung des Bundes).  Meine Beurteilung: Die Gesetzesrevision wird von links als Schwächung des Kartellgesetzes bekämpft werden. Die genaue Prüfung jedes Falles ist aber durchaus rechtsstaatlich angezeigt. Das Kartellrecht darf nicht für eine staatliche Preiskontrolle missbraucht werden. Darauf läuft die heutige Gesetzgebung hinaus, wie entsprechende Bundesgerichtsurteile zeigen.

image
Mitte-Nationalrat Heinz Siegenthaler will Cannabis legalisieren. (Bild: Keystone)
Eine Subkommission der Gesundheitskommission widmet sich am Montag der Cannabis-Regulierung. Der Mitte-Nationalrat Heinz Siegenthaler (BE) will die Droge legalisieren und den Verkauf regulieren. Dazu laufen seit Anfang Jahr in mehreren Schweizer Städten Pilotversuche. Deren Resultate will die Mehrheit des Nationalrates allerdings nicht abwarten.  Schon am Dienstag beugt sich die ständerätliche Gesundheitskommission über das Tabakproduktegesetz. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Umsetzung der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» geht weiter als die Initiative selbst. Selbst Ersatzprodukte wären betroffen. Dies, obwohl staatliche Erziehungsversuche nicht besonders erfolgreich sind.  Meine Beurteilung: Während die Politik alles macht, um den Konsum von Tabak zu verhindern, will sie den Konsum von Cannabis erleichtern. Die Entkoppelung von Cannabis vom Schwarzmarkt der illegalen Drogen ist ein liberales Anliegen. Angesichts der psychischen Wirkung der Droge ist allerdings Vorsicht angebracht. Die Pilotversuche sollten untersuchen, wie sich die Droge auf das Leben und die Leistungsfähigkeit der Konsumenten auswirkt, ob sich die Menge des Konsums erhöht oder Cannabis den Einstieg in den Konsum härterer Mittel erleichtert. Und in einer liberalen Gesellschaft sollte den Arbeitgebern erlaubt sein, von ihren Mitarbeitern Drogentests zu verlangen. Zu achten ist auf:
  • Die bürgerlichen Mitglieder der Wirtschaftskommission (Liste): Bleiben sie bei der Kartellrechtsrevision auf dem Kurs, den sie dem Bundesrat in Auftrag gegeben haben?
  • Gesundheitspolitiker des Ständerates (Liste): Beschränken die Ständeräte die Umsetzung des Gesetzes auf die Forderungen der Initiative oder gehen sie wie der Bundesrat darüber hinaus?

Was sonst noch läuft

Die Rechtskommission des Ständerates bespricht eine Motion des Nationalrates, Konversionstherapien von LGBTQ-Personen zu verbieten und unter Strafe stellen. Wie fragwürdig solche Therapien auch sind: Es soll nicht nur bestraft werden, wer jemanden zu einer solchen Therapie zwingt (dazu gäbe es bereits Straftatbestände), sondern bereits das Angebot selbst.  Im Ständerat hatte die Regulierungsbremse keine Chance. Der Vorschlag scheiterte an der Mitte und einigen Ständeräten der FDP. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates will das einst von beiden Räten befürwortete Instrument retten. Ob es klappt, ist allerdings offen.
Hat Ihnen das Bundeshaus-Briefing gefallen? Dann abonnieren Sie es kostenlos und empfehlen Sie es weiter. Mit einem Klick auf den Button «Bundeshaus-Briefing abonnieren» können sich diese dann einschreiben.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und alles Gute!

#WEITERE THEMEN

image
Behindertenorganisation wehrt sich

«Die inklusive Schule ist ein Menschenrecht»

28.9.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR

image
Bern einfach

Spezial aus Bern: Energie, Migration und Steuern

28.9.2023
image
Feusi Fédéral

Beni Fischer: «Verantwortlich ist Alain Berset», Ep. 114

28.9.2023