Somms Memo

Erste Debatte der Republikaner ohne Trump. Ist er arrogant oder klug? Beides.

image 23. August 2023 um 10:00
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA. (Bild: Keystone)
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: Heute findet die erste Debatte der Republikanischen Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahlen von 2024 statt. Trump fehlt. Warum das wichtig ist: Es müsste ein Wunder geschehen, dass Trump nicht zum Kandidaten seiner Partei bestimmt würde. Dieses Wunder ist er selbst. Seit Donald Trump, ein Bauunternehmer und Medienstar, in der amerikanischen Politik aufgetaucht ist, hat er immer beides bewiesen:
  1. Niemand – seit dem mongolischen Präsidenten Dschingis Khan – kann seinen Gegner so brutal und definitiv zerstören wie Trump
  2. Und niemand kann sich so gut selbst zerstören wie Trump

Er ist das fleischgewordene Dilemma – besonders für jene, die wie ich selbst einen grossen Teil seiner Politik inhaltlich immer gut gefunden haben – sich aber nie mit seinem Stil, seinen Umgangsformen, vor allem mit seiner multilateralen Zerstörungswut anfreunden mochten, ob sie sich nun gegen Demokraten und feindselige Journalisten richtete oder gegen superloyale Republikaner oder treueste Mitarbeiter.
  • Trumps Zerstörungswut traf alles, was sich bewegte, wahllos

Wie zum Beispiel Mike Pence, der am 6. Januar 2021 alles richtig gemacht hatte, als er sich weigerte, ihm nachzugeben. Trump wollte die Zertifizierung der Wahlen von 2020 aufhalten, die er verloren hatte – während seine dümmsten Fans zum Sturm auf den Kongress ansetzten.  Seither gilt Pence in den Augen von Trumps Anhängern als Verräter, zugleich hat Trump nie aufgehört, den Unsinn von den gefälschten Wahlen zu verbreiten. Pence hatte Trump vier Jahre lang als Vizepräsident loyal gedient – was angesichts der Verhaltensauffälligkeit seines Chefs eine fast übermenschliche Opferbereitschaft erforderte.
  • Trump hat es ihm nie gedankt. Im Gegenteil
  • Selbst der Teufel würde seinen ehemaligen Mitarbeitern ein freundlicheres Arbeitszeugnis ausstellen

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Manchmal frage ich mich, wie Trump es nach wie vor fertigbringt, dass Leute für ihn überhaupt arbeiten wollen. Doch er findet immer neue. Das mag mit dem ersten Punkt zusammenhängen:
  • Trump ist vermutlich das grösste politische Talent der jüngeren amerikanischen Geschichte, was taktisches Geschick und Instinkt anbelangt
  • Er wittert noch jede kleinste Schwäche eines Gegners, er ist der Bluthund der Politik, der einmal zubeisst und dann nie mehr loslässt, bis das Opfer alle viere von sich streckt

Wenn es einen gibt, der das in den vergangenen Monaten erlebt hat, oder besser: erlitten, dann Ron DeSantis.  Der Gouverneur von Florida meinte wohl noch vor wenigen Monaten, es gebe keinen Republikaner, der Joe Biden, den Demokratischen Präsidenten, besser herausfordern könnte als er selbst. War er nicht der unvermeidliche Kandidat?
  • Er hatte vorgemacht, wie konservatives Regieren ging. Dem «Deep State» – also der mächtigen Bürokratie – hatte er in Florida den Meister gezeigt – anders als Trump, der vor dem Deep State nur warnt, ihm aber nie beigekommen ist
  • DeSantis hatte im November 2022 seine Wiederwahl mit einem glänzenden Resultat zustande gebracht. Fast alle – zumal auf der konservativen Seite – sprachen nun von ihm als nächstem Präsidenten

Sogleich breitete sich unter den Republikanern eine gewisse Erleichterung aus: Was brauchen wir den Querulanten Trump, wenn wir DeSantis haben, den vernünftigen Superstar? Ich bin noch heute der Meinung, DeSantis wäre der viel bessere Präsident als Trump.
  • Aber nicht der bessere Wahlkämpfer

Kaum bemerkte der Bluthund, dass hier ein Hirsch zu selbstbewusst im Wald herumspazierte und die anderen Tiere auf seine Seite zog, fletschte er die Zähne und schlug zu:
  • Ron DeSanctimonious – Ron, der Scheinheilige, nannte ihn Trump

Und der Spott, der finstere Witz, die Aggressivität, die Obsession nahmen nicht mehr ab. Wer Trump als Gegner hat, lebt politisch auf einer Rasierklinge. Innerhalb weniger Wochen schaffte es Trump, aus einem vielversprechenden Kandidaten ein sicheres Desaster zu machen. Je nach Umfrage hat Trump DeSantis inzwischen mit über 40 Prozentpunkten hinter sich gelassen. DeSantis’ Kampagne liegt in Trümmern, er selbst auf der Intensivstation.

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Trump fühlt sich so überlegen, dass er an der ersten Debatte der Republikaner, die heute auf Fox News ausgestrahlt wird, nicht einmal teilnimmt.
  • Habe ich das nötig?
  • Zumal die acht Kandidaten, die nun ohne Trump auftreten, trotzdem die ganze Zeit über Trump sprechen

Stattdessen lässt sich Trump heute von Tucker Carlson auf X (ex-Twitter) interviewendem konservativen Medienstar, der vor kurzem von Fox News entlassen worden war. Ja, Trump liess sogar durchblicken, dass er an gar keiner Debatte seiner Partei mitmachen werde. So gewiss, meint er, sei ihm die Nomination. Zu Recht? Es wäre tatsächlich ein Wunder, wenn die Republikaner ihn an ihrem Parteitag, der im Juli 2024 abgehalten wird, nicht zum Kandidaten küren würden.  Allerdings ist das noch weit weg, vieles kann noch passieren, und ich erinnere an den zweiten Punkt: Trump ist auch ein Wunder der Selbstverstümmelung.  Mit ihm ist zu rechnen. Oder wie es Giacomo Casanova, der grösste Liebhaber der Weltgeschichte, gesagt hat: «Sei die Flamme, nicht die Motte!» Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag Markus Somm

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