Lex Covid
Ein Gesetz für die Ewigkeit?
Bereits 2021 wurde das Covid-Gesetz verlängert. Am 18. Juni stimmt die Schweiz erneut darüber ab. (Bild: Keystone)
Mehrere Bewegungen, darunter die Freunde der Verfassung und die Westschweizer Föderative Bewegung, haben ein Referendum gegen die fünfte Version des Lex Covid zustande gebracht. Wer sich dessen Inhalt und Tragweite vor Augen führt, muss die Verlängerung ablehnen.
Wie es zur Lex Covid kam
Wir erinnern uns, dass der Bundesrat im Frühjahr 2020 ein Massnahmenpaket zur Bekämpfung der Pandemie verabschiedet hat. Diese Massnahmen mussten auf einer gesetzlichen Grundlage basieren. Die eigentlichen Gesundheitsmassnahmen stützten sich auf das Epidemiengesetz und die dort definierte «ausserordentliche Lage», eine Art sanitäres Notrecht. Der Bundesrat ergriff die übrigen, insbesondere wirtschaftlichen Massnahmen auf der Grundlage von Artikel 185 der Verfassung, der ihn ermächtigt, «bestehenden oder drohenden Unruhen, welche die öffentliche Ordnung, die äussere Sicherheit oder die innere Sicherheit ernsthaft gefährden, entgegenzuwirken».
Diese Massnahmen durften jedoch nur sechs Monate dauern. Nach Ablauf dieser Frist mussten sie vom Parlament in ordentliches Recht überführt werden. An dieser Stelle kam die Lex Covid ins Spiel. Ihr vollständiger Name macht ihre Funktion deutlich: «Bundesgesetz über die Rechtsgrundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Überwindung der COVID-19-Epidemie». Die erste Version wurde am 25. September 2020 verabschiedet.
Um den «Grand Slam» der politischen Machtausübung zu vervollständigen, versah das Parlament das Gesetz mit einer Dringlichkeitsklausel. Dank dieser konnte das Gesetz in Kraft treten, bevor ein Referendum stattgefunden hatte. Am 16. Dezember 2022 stimmten die Kammern – ebenfalls unter dem Siegel der Dringlichkeit – sowohl für eine Änderung als auch für eine (teilweise) Verlängerung des Gesetzes. Dank einem Referendum dürfen wir bald darüber abstimmen.
Niemand weiss, was passiert
Diese kurze Geschichte der Lex Covid ist ein Konzentrat des schon seit Jahren vorherrschenden Byzantinismus der Bundesgesetzgebung. Schon der zweiten Abstimmung über das Covid-Gesetz am 20. November 2021 waren viel zu subtile Fragen zu den konkreten Folgen eines negativen Votums aufgekommen. Die nun zur Abstimmung stehende Vorlage macht diesen Strauss an ungewöhnlichen Fragen noch komplexer. Niemand weiss, was ein Nein, wirklich bedeuten würde. Die enorme Verwirrung, die dadurch entsteht, muss ein Ende finden. Wenn die Politik mit Instrumenten hantiert, die sie nicht versteht, stärkt sie die Macht der Verwaltung. Dies ist ein erster Grund, mit Nein zu stimmen.
Worüber stimmen wir denn wirklich ab? Der Entwurf verlängert die Gültigkeit der Vorschriften über die Arzneimittelversorgung, die Grenzverwaltung, die Swiss-Covid-Rückverfolgungsanwendung und das Covid-Zertifikat. Gleichzeitig führt er zwei Neuerungen ein. Der Bundesrat erhält das Recht, den Arbeitgebern spezifische Massnahmen zum Schutz von «gefährdeten Arbeitnehmern» anzuordnen. Die Kantone erhalten vor allem die Verpflichtung, die Kapazitätsreserven ihrer Gesundheitssysteme zu finanzieren. Diese sollen es ermöglichen, künftige Spitzen bei der Auslastung der Spitäler zu bewältigen, die mit einem möglichen Wiederaufflammen der Pandemie verbunden sind. Das tönt gut, geht aber in die falsche Richtung: Hinter dieser Anweisung steht der allgegenwärtige zentralistische Paternalismus der Bundesbehörden (wie er auch aus dem Klimagesetz spricht).
Die Argumentation des Bundesrates ist einfach: Die Krise ist noch nicht vorbei, und vor allem: Das Böse kann zurückkehren. Eine solche Argumentation ist besonders gefährlich, wenn sie dazu dient, die Macht unseres föderalen Staates zu rechtfertigen. Sie ermöglicht es, den Kantonen unter dem Deckmantel einfacher Behauptungen ihre Kompetenzen zu entziehen und ihnen Verpflichtungen aufzuerlegen.
Eine Krankheit wie andere auch
Natürlich ist es schwierig zu wissen, ob die Krise absolut vorbei ist. Wir halten aber trotz unserer Vorbehalte gegenüber internationalen Organisationen dennoch fest, dass der für die Überwachung der Pandemie zuständige Ausschuss der WHO soeben erklärt hat, dass «Covid-19 nunmehr ein etabliertes Gesundheitsproblem mit anhaltendem Charakter ist, das keinen Notfall der öffentlichen Gesundheit von internationaler Tragweite mehr darstellt». Dies müsste eigentlich dazu führen, Covid wie eine gewöhnliche Krankheit zu behandeln.
Es ist eine unverhältnismässig, die Instrumente des Notrechts beizubehalten, um auf das mögliche Wiederaufflammen einer üblichen Krankheit reagieren zu können. Das Notrecht muss dazu dienen, eine unmittelbar drohende Gefahr abzuwenden. Dass die Kantone ihre Reservekapazitäten in den Krankenhäusern heute nicht finanzieren, ist möglicherweise Politikversagen, aber sicher kein Notfall. Die erste Frage, die beantwortet werden muss, ist die nach der Legitimität des Bundes, den Kantonen zusätzliche Infrastrukturkosten aufzuerlegen. Die fantasierte falsche Dringlichkeit ist ein weiterer Grund, mit Nein zu stimmen.
Die Angst der Politiker vor dem Gesetzesvakuum
Die Argumentation des Bundesrates lässt vermuten, dass die «ordentliche» Verwaltung der Pandemie durch eine Reihe von ständigen Verlängerungen und Ergänzungen der Lex Covid erfolgen wird. Aus Angst vor einem Gesetzesvakuum wird ein immerwährendes dringliches Bundesgesetz gemacht. Diese Spirale muss durchbrochen werden.
Die Vorgehensweise von Bundesrat, von National- und Ständerat entzieht das Gesetz systematisch den üblichen Regeln der direkten Demokratie. Dieses Verfahren droht sich auf alles auszudehnen, was der Gesetzgeber für dringlich hält. Wir wissen, dass in der Politik Ausnahmen zu Gewohnheiten werden, wenn man sie nicht schnell genug beendet. Mit einem Nein können wir diese schlechte Angewohnheit mindestens verlangsamen.
Dringlichkeit zeigt Defizite bei der vorausschauenden Politik
Eine kürzlich erfolgte Änderung des KVG wurde gerade mit der Dringlichkeitsklausel versehen. Sie soll den Kantonen, erlauben, die Bedingungen für die Niederlassung ausländischer Ärzte ohne den Ärzteverband FMH zu erleichtern. Damit soll dem Mangel an Allgemeinmedizinern entgegengewirkt werden. «Planen heisst, Unsicherheit durch Fehler zu ersetzen.» Dieses Sprichwort scheint sich in der Bundespolitik zu bestätigen. Wenn das Parlament immer häufiger auf die Dringlichkeitsklausel zurückgreift, gibt es damit nicht gleichzeitig zu, dass es überhaupt nicht in der Lage ist, vorausschauend zu handeln?
Zum Autor:
Félicien Monnier ist Rechtsanwalt und Präsident der «Ligue vaudoise», einer 1926 gegründeten Organisation zur Verteidigung der kantonalen Souveränität der Waadt und des Föderalismus in der Schweiz. 1949 lancierte die Organisation die Volksinitiativen zur Rückkehr zur Direkten Demokratie nach dem Vollmachtenregime des Zweiten Weltkriegs.
Der Artikel ist das leicht gekürzte Editorial in der Zeitschrift «La Nation» vom 19. Mai 2023.