Somms Memo
Die Schweizer sind überglücklich. Was schert sie die Politik?
Schöne Schweiz. Annäherungen an ein Paradies. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: 61 Prozent der Schweizer sind mit ihrem Leben zufrieden. Das zeigt eine Umfrage von gfs.bern im Auftrag der SRG.
Warum das wichtig ist: Wer sich wundert, dass der Wahlkampf kaum in die Gänge kommt, findet hier eine Antwort. Es geht uns gut, es geht uns saugut.
Immerhin 57 778 Schweizerinnen und Schweizer wurden vor wenigen Monaten in der einen oder anderen Art befragt, und von diesen gab es mehrheitlich nur gute Noten, wenn sie ihr eigenes Leben zu beurteilen hatten:
- 10 Prozent sind damit «vollumfänglich zufrieden» (Note 10)
- 19 Prozent «sehr zufrieden» (Note 9)
- 34 Prozent «zufrieden» (Note 8)
Wenn wir zu diesen Überglücklichen noch die üblichen, vielleicht typischen Mittel-Schweizer nehmen, die sich als «mittelmässig zufrieden» bezeichnen (21 Prozent, Note 7), was, wenn wir an Schweizer denken, in der Regel ein Leiden auf sehr hohem Niveau verrät, dann sind es insgesamt gar 82 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung, die wohl sicher nicht für eine Revolution zu begeistern sind.
Den Schweizern geht es gut, dem Land ebenso.
Für Leute meiner Berufsgattung, aber auch für Politiker und vor allen Dingen für die Intellektuellen, zu denen ich mich ebenfalls zähle, sind das natürlich ambivalente Nachrichten:
- Es nimmt uns Journalisten den Stoff, aus dem gute (also schlechte) Medienberichte entstehen
- Es macht es den Politikern schwer, diese saturierten Bürger von einem angeblichen politischen Missstand zu überzeugen, (den nur sie zu beheben verstehen)
- Am schlimmsten trifft es die Intellektuellen, deren selbstgewählte Lebensaufgabe darin besteht, alles zu kritisieren
Wenn es um die Schweiz geht, bemühen sie sich zwar seit langem darum, uns weiszumachen, wir lebten im Kongo, doch so richtig verfangen haben diese Bemühungen nicht. Die Bevölkerung bleibt zuversichtlich, oder je nach Standpunkt: selbstgefällig, und ist sich keiner Schuld bewusst.
Daran mag liegen, dass unsere Medien (der Nebelspalter eingeschlossen) manchmal an Kinderbücher erinnern, wo Drachen, Hexen und Gespenster vorkommen, die es nicht gibt, wie jedes Kind weiss, und dennoch fürchten wir uns köstlich.
Wie etwa gestern, als es wieder einmal regnete:
- «An der Goldach spitzt sich die Lage zu»! – alarmierte uns das St. Galler Tagblatt, während die Redaktion bereits die Evakuierung eingeleitet hatte
- «Nach dem Regen drohen jetzt Hangrutsche»! – warnte das Obwaldner Zeitung in grosser Panik
- «Rheinvorland teilweise überschwemmt – keine Schäden bisher», berichtete SRF, und der zweite Nachsatz klang wie eine Enttäuschung
Nichts gegen meine Kollegen, sie meinen es gut, wenn sie uns einreden, sie hätten die vier Reiter der Apokalypse in ihrem Newsroom vorbeireiten sehen. Sicher ist sicher. Man kann sich nie genug vorsehen.
Aber wir wissen es alle besser – und deshalb werden wir Journalisten von einem «Erdbeben» sprechen, wenn eine Partei bei den kommenden Nationalratswahlen 0,2 Prozent Wähleranteil einbüsst. News ist News.
Was für die Schweiz gilt, lässt sich weltweit beobachten: Im Westen geht es den Menschen gut, und sie sagen es auch – wenn die Journalisten gerade weghören. Wie diese Grafik belegt (Zahlen aus dem World Values Survey):
Es ist trivial: Je mehr Wohlstand ein Land besitzt, desto wahrscheinlicher ist es, dass seine Bürger sich subjektiv wohl fühlen. Ebenso hilft Demokratie.
Erklärungsbedürftig ist hier allein Lateinamerika, wo die Menschen ungeachtet regelmässig wiederkehrender, objektiver Miseren sich als recht glücklich bezeichnen. Ob das mit dem Katholizismus zusammenhängt, dem angenehmen Klima oder dem Widerwillen, den linken Populisten recht zu geben, die immer von den Ungerechtigkeiten dieser Welt reden, und trotzdem wiedergewählt werden: Ich weiss es nicht.
Tatsache ist: Im Westen ist es am besten. Und das hat nichts damit zu tun, dass wir anderen Völkern auf anderen Kontinenten etwas weggenommen haben – wie uns die westlichen Intellektuellen in ihrer Verzweiflung glauben machen wollen –, sondern es liegt genau an jenen Institutionen, die den meisten Intellektuellen nicht so recht passen:
- Kapitalismus
- Demokratie (sofern alle Leute mitreden und mitentscheiden, auch die, die den «falschen» Parteien anhängen)
- an den christlich-jüdischen Werten, und der damit verbundenen Religion und Tradition (was ich gerne in einem anderen Memo einmal ausführe)
Wenn Politiker also Gutes tun wollen, wenn Journalisten sich wirklich um ihre Leser kümmern, und Intellektuelle eine Aufgabe finden sollen, dann ist es ganz einfach:
- Verteidigt diese Institutionen! Denn sie machen Menschen glücklich
Oder wie es Albert Einstein, der grosse Physiker, ausgedrückt hat:
«Ein Tisch, ein Stuhl, eine Fruchtschüssel und eine Violine; was braucht der Mensch sonst noch, um glücklich zu sein?»
Die Violine wurde übrigens im Westen erfunden.
Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Tag
Markus Somm