Somms Memo

Die Schweiz ist das freieste Land der Welt. Das belegt ein amerikanischer Think Tank.

image 27. Januar 2023 um 11:00
«Wir wollen frei sein, wie die Väter waren». Rütlischwur im Jahre 2023. (Gemälde von Johann Heinrich Füssli, 1779-1781, Öl auf Leinwand, Kunsthaus Zürich)
«Wir wollen frei sein, wie die Väter waren». Rütlischwur im Jahre 2023. (Gemälde von Johann Heinrich Füssli, 1779-1781, Öl auf Leinwand, Kunsthaus Zürich)
Die Fakten: Kein Land auf der Welt ist so frei wie die Schweiz. Das zeigt der neue Human Freedom Index, den das Cato Institute jedes Jahr herausgibt. Warum das wichtig ist: Die Schweiz ist frei. Das gilt es zu feiern – und zu verstehen. Die Linke in diesem Land litt immer darunter, dass es hier so wenig zu leiden gab. Ich meine das weder ironisch noch bösartig:
  • Im Vergleich zu fast allen übrigen Ländern waren die Verhältnisse in der Schweiz stets etwas milder, besser, weniger krass
  • Arm und Reich? Das gab es auch hier – und doch wäre jeder Arme der Welt lieber in der Schweiz arm gewesen als anderswo
  • Ungerechtigkeiten drückten, keine Frage, dennoch schienen sie weniger bedrückend als überall sonst

Mit anderen Worten: Im Vergleich war die Schweiz unvergleichlich. Wie wollte die Linke die Bürger dieses Landes, die schon 1848 wählen durften (sofern sie Männer und Christen waren) und die sich schon vor dem Ersten Weltkrieg eines der weltweit höchsten Bruttoinlandprodukte pro Kopf erfreuten, von der Revolution überzeugen? Es war undenkbar. Die Linke biss auf Granit. Inzwischen sind es wir Liberalen, die hin und wieder unter diesem Land leiden, weil wir zwar leiden – aber auf dem berühmt-berüchtigten hohen Niveau. Das ging mir durch den Kopf, als ich den neuesten Bericht des Cato Institutes zur Lage der Freiheit auf der Welt las. Das Institut ist ein amerikanischer Think Tank in Washington D.C., er steht den Republikanern nahe. Dieser Human Freedom Index (HFI) erscheint seit einigen Jahren, er gilt als einer der umfangreichsten und zuverlässigsten Massstäbe, er verwertet unzählige Daten aus so gut wie allen Ländern der Welt. Die Schweiz steht auf Rang 1. Nirgendwo gibt es mehr Freiheit – oder ist sie besser gesichert. Und das seit Jahren.
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Um auf diesen Befund zu kommen, geht das Cato Institute von einer bekannten Definition von Freiheit aus, die unter anderem der britisch-russische Philosoph Isaiah Berlin geprägt hat:
  • Er misst die Freiheit des Individuums daran, inwieweit der Staat sie einschränkt – oder eben nicht
  • Es geht also nicht um eine positive Freiheit. Nicht der Staat gewährt uns die Freiheit, sondern wir sind frei, wenn sich der Staat uns möglichst wenig in den Weg stellt
  • Man spricht von einer negativen Freiheit

Was heisst das im Konkreten? Am besten lässt sich das vielleicht am Thema der persönlichen Freiheit erklären, wo das Cato Institute untersucht, inwiefern Männer und Frauen – bzw. Männer und Männer oder Frauen und Frauen – selber und unbehelligt von Staat und Gesetz wählen können, wen sie heiraten wollen. Es handelt sich hier zweifellos um einen der intimsten und wichtigsten Entscheide, den wir in unserem Leben treffen. Also überprüfen die Forscher folgende Fragen:
  • Ehe für alle: Ist es in einem Land homosexuellen Männern oder Frauen erlaubt, einander zu heiraten? Je gleicher die Rechtslage für alle – ob heterosexuell oder homosexuell oder sonst orientiert – desto höher die Marke, die ein Land im Freiheitsindex erreicht
  • Ein weiteres Kriterium: Scheidung. Ist es legal und wird es Frauen schwerer gemacht als Männer (wie das etwa in vielen muslimischen Ländern der Fall ist)
  • Schliesslich wird das Erbschaftsrecht berücksichtigt: Gibt es Unterschiede zwischen Söhnen (traditionell oft privilegiert) und Witwen sowie Töchtern?
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Mit diesem Blick analysiert das Cato Institute verschiedene gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Bereiche. Dabei erhalten die einzelnen Länder eine Bewertung auf einer Skala von 0 bis 10. Je höher dieser Wert, desto freier das Land. Insgesamt erzielte die Schweiz eine durchschnittliche Note von 8,94 während der am schlechtesten platzierte Staat, Syrien, auf 3,3 kommt. Das Raster ist umfassend, eine Auswahl:
  • Wie zuverlässig und unparteiisch arbeitet die Justiz?
  • Anzahl der Morde, Gefährdung durch Terrorismus oder Kidnapping – gestützt auf die Überlegung, dass ohne physische Sicherheit die Freiheit nichts wert ist
  • Wie steht es um die Meinungs-, Versammlungs- oder Religionsfreiheit? Wie unbeschränkt arbeiten die Medien?
  • Freiheit der Mobilität: Kann ich wegziehen, darf ich auswandern, habe ich das Recht, jederzeit zu reisen, wohin es mir passt?

Da es sich beim Cato Institute auch um einen Think Tank mit ausgeprägten wirtschaftsliberalen Ansichten handelt, kommt der Wirtschaftsfreiheit selbstverständlich ein hoher Stellenwert zu; so messen die Forscher, die Grösse des Staates, die Steuerquote, Subventionen und Transferleistungen, aber auch die Frage, inwiefern Staatsbetriebe die Wirtschaft prägen.
  • Je mächtiger sich der Staat ausbreitet, so die Prämisse, desto mehr bedrängt, ja unterbindet er die private Wirtschaftstätigkeit – mithin die Freiheit des Individuums

Wenn man die verschiedenen Länder durch dieses komplexe Raster betrachtet, wird einem erst bewusst, wie ungeheuer glücklich sich schätzen kann, wer im Westen lebt. Zwar schwingt die Schweiz so gut wie in allen Kategorien oben aus – aber das gilt eigentlich für die meisten westlichen Länder. Es sind Abgründe, die Westeuropa und Nordamerika vom Rest der Welt trennen. Das mag eurozentrisch klingen – und doch ist es berechtigt, denn empirisch belegt, wie jeder selbst nachprüfen kann, wenn er die Daten im Detail studiert.
  • Gewiss, es gehört auch zu den Stärken des Westens, dass nirgendwo Selbstkritik erwünschter – und möglich ist. Oft kommt allerdings die Neigung auf, im Relativismus sich zu verirren, und vor lauter anti-westlichem Furor die schitteren Zustände ausserhalb des Westens zu übersehen
  • Es gibt einen Grund, warum die Menschen in den Westen flüchten – und nicht wir nach Afrika oder in den Nahen Osten
  • Ebenso stimmt, was das Cato Institute auf beklemmende Weise aufzeigt: Freiheit ist leicht verspielt. Während der Pandemie wurde die Freiheit zurückgedrängt wie kaum je zuvor. Alle Länder waren davon betroffen – auch die Schweiz

Wir haben etwas zu verlieren im Westen, wenn wir nicht darauf achten, wie frei wir nach wie vor sind. Wenn Freiheit herrscht, ist das kein Zufall und kein Geschenk, sie fällt nicht vom Himmel, sondern sie ist auf der Erde von Generationen von Menschen geschaffen worden, die vor uns dafür lebten und manchmal dafür starben.
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Bob Marley (1945-1981), Musiker und Freiheitskämpfer: «Get up, stand up for your rights».
Oder wie es der grosse Reggae-Sänger Bob Marley sagte: «Es ist besser, für die Freiheit zu sterben, als sein ganzes Leben wie ein Gefangener zu verbringen.» Er wusste, wovon er sprach. Seine Heimat, Jamaika, kommt im Human Freedom Index auf einen Score von 7,53. Ich wünsche Ihnen ein glückliches, freies Wochenende Markus Somm P.S. Der Bericht kann hier abgerufen werden: Dabei sind die Scores für jedes einzelne Land aufgeführt.

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