Somms Memo

Die junge Generation versinkt in der Depression. Studien zeigen: Wer links steht, leidet mehr.

image 13. April 2023 um 10:00
Die Generation Z, also Menschen zwischen 26 und 11, sieht schwarz. Geht nicht alles den Bach runter?
Die Generation Z, also Menschen zwischen 26 und 11, sieht schwarz. Geht nicht alles den Bach runter?
Somms Memo gibt's auch als kostenlosen Newsletter. Täglich in Ihrer Mailbox.
Jetzt abonnieren!


Die Fakten: Junge Amerikaner sind depressiver als alle anderen Altersgruppen. Niemand leidet mehr als linke Frauen. Warum das wichtig ist: Wie man die Welt anschaut, welche Ideologie man teilt, hat Einfluss auf die geistige Gesundheit. Je mehr Katastrophen, desto katastrophaler das Gemüt. Wenn es jemanden gibt, der die Stimmungslage unserer jungen Generation im Westen gut ausgedrückt hat, dann vielleicht Greta Thunberg, die schwedische Schülerin, die im September 2019 an einem Anlass der UNO in New York sagte:
  • «Sie haben meine Träume und meine Kindheit mit Ihren leeren Worten gestohlen. Und doch bin ich eine der Glücklichen. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme kollabieren.»
  • «Wir stehen am Anfang eines Massensterbens, und alles, worüber Sie sprechen können, ist Geld und Märchen über ewiges Wirtschaftswachstum. Wie können Sie es wagen!»

Vor ihr, einer damals sechzehnjährigen, eher schüchternen, merkwürdig zeitlos wirkenden Person, hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Welt versammelt – und obwohl sie gerade der fahrlässigen, wenn nicht vorsätzlichen Tötung angeklagt worden waren, klatschten die Politiker begeistert. Eine Mischung aus Masochismus und Show Time. How Dare You! – als sie dies hervorstiess, machte Thunberg den Anschein, als würde ihre Stimme bald versagen, vor Empörung, vor Angst, vor wütender Ohnmacht. Wenn es früher das Privileg der Jugend war, unbeschwert, voller Tatendrang, ja übermütig in die Zukunft zu blicken (manchmal ohne guten Grund), scheint heute das Gegenteil zuzutreffen: Je jünger die Menschen sind, desto schwärzer malen sie sich aus, was auf sie zukommt. Die Generation des geistigen Rollators. Bevor sie auch nur erwachsen geworden sind, sprechen sie so, als zögen sie bald ins Pflegeheim, um dort zu sterben. Verschiedene Studien in den USA, die vor kurzem erschienen sind, belegen diesen anekdotischen Befund: Insbesondere die sogenannte Generation Z, also Jugendliche, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, leiden auffällig oft unter Depressionen, sie beurteilen ihre eigene Lage und jene der Gesellschaft als bedrohlich, sie meinen, die Zeit laufe ihnen davon, obwohl objektiv noch so viel Zeit vor ihnen läge.
  • Wenn man die Frage stellt: Hat ein Arzt bei Ihnen in den letzten Monaten eine psychische Krankheit diagnostiziert? Dann antworten sehr viel mehr Junge mit einem Ja, als ältere Leute dies tun
  • Während etwa bei den 50-Jährigen höchstens ein Drittel eine solche Diagnose gestellt bekommen hat, sind es bei den 18- bis 29-Jährigen bis zu mehr als der Hälfte

Ein zweiter Befund sorgt für Aufsehen. Es kommt offensichtlich darauf an, wo man politisch steht. Je linker oder progressiver sich die Befragten selbst verorten, desto häufiger geben sie auch an, unter Depressionen zu leiden. Und drittens gilt das besonders für Frauen.
  • Kurz: junge, linke Frauen neigen sehr viel mehr zu psychischen Krankheiten und Verstimmungen als alle anderen
  • Und wenn man die Zahlen betrachtet, ist das zu einem geradezu erschütternden Grad der Fall: über der Hälfte der jungen linken Frauen geht es psychisch nicht gut
image
Das kontrastiert deutlich mit der Lage jener jungen Frauen, die sich als konservativ bezeichnen (oder auf schweizerisch: als bürgerlich):
  • Selbst bei den Jungen, ob weiblichen oder männlichen Geschlechts, ermittelten die Forscher eine viel bessere psychische Verfassung
  • Bloss 20 Prozent der jungen konservativen Frauen kämpfen mit psychischen Problemen. Bei den Männern sind etwas mehr als zehn Prozent

Gilt demnach: Wer konservativ denkt, dem geht es besser? Vielleicht ist er einfach naiver. Denn besonders Linke mögen einwenden, dass sich hier eben zeige, wie eskapistisch die Rechte die Welt beurteile:
  • Man verdrängt die Katastrophen, wie etwa den Klimawandel, man übersieht, was man nicht sehen will, wie zum Beispiel die wachsende soziale Ungleichheit, man ignoriert die Schmerzen der Armen und Ausgebeuteten

Dagegen spricht, dass sich dieser unterschiedliche Befund, was Geschlecht und politische Einstellung betrifft, erst in den vergangenen Jahren ergeben hat. Noch vor 2012 gab es wohl Differenzen, aber nie in diesem hohen Ausmass. Jonathan Haidt, ein linksliberaler amerikanischer Sozialpsychologe, dem ich diese Einsichten und Daten verdanke, führt die fast epidemische Verstimmung unter den Jungen in Amerika auf andere Ursachen zurück, man kann auch sagen, er sieht die Dinge gerade umgekehrt:
  • Nicht der je nach Standpunkt bedenkliche Zustand der Welt macht den Jungen zu schaffen, sondern die Art und Weise, wie sie die Welt sehen, lässt sie in die Depression verfallen
image
Dabei weist Haidt darauf hin, dass viele Elemente einer linken Weltanschauung jenem Umgang mit der Realität gleichen, wie sie bei schwer Depressiven zu erkennen sind:
  • Diese tendieren dazu, alles als Katastrophe zu erleben. Zug verpasst? Ein Debakel. Schlechte Noten? Ein Desaster. Widerspruch von einem Freund? Ich sterbe
  • Ebenso führt dieser Ansatz dazu, dass man sich öfter als Opfer der Umstände betrachtet, die man nicht ändern kann, denn als handelnde Person, die die Dinge so gestaltet, wie sie möchte

Dazu passen zwei alte Sprichwörter:
  • «Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein» – wobei man sich hier die Grube von Anfang und bewusst für sich selbst ausgehoben hat
  • Oder: «Jedermann ist seines Glückes Schmid»

Wer das dagegen nicht glaubt, sondern alle anderen für die eigene Befindlichkeit verantwortlich macht, oder noch schlimmer: überlegene, anonyme Mächte wie den Klimawandel, die soziale Ungleichheit, die Geschichte von mehreren Jahrhunderten, «strukturellen» Rassismus oder geradezu unausrottbaren Sexismus – der fühlt sich klein und hilflos, am Ende überkommt ihn die Schwermut. Was ist geschehen? Warum sind alle Jungen – ganz gleich, ob links oder rechts, ob Mädchen oder Buben – trauriger geworden? Es ist Zeit, dass wir Eltern, Politiker oder Lehrer uns fragen, was wir der jungen Generation denn mitgegeben haben.
  • Viel Geld, Ferien auf den Malediven und Smartphones, deren Rechnung wir übernehmen, als handelte es sich um Steuern
  • modisches Gebrabbel statt Werte, die länger überdauern als zwei Wochen
  • Opferkult statt Freude an Selbstverantwortung und eigener Leistung
  • Wohlstand statt Freiheit

In Riff-Raff, einem glänzenden Film des linken britischen Filmautors Ken Loach, sagt Stevie zu seiner Freundin Susan – man liegt zusammen im Bett: «Depressionen sind für die Mittelschicht. Wir übrigen müssen am Morgen früh raus.» Ich wünsche Ihnen einen erfreulichen Tag Markus Somm

#WEITERE THEMEN

image
Grosses Interview zum Fachkräftemangel – ¨Teil 2

Professor Eichenberger: «Wer den Einkommensbegriff nur aufs Geld verengt, ist geldgeil»

29.5.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR