Immer mehr Menschen sind mit dem Radl da. Und dort. Bei manchen gleicht die Wohnung mittlerweile einem Radlager, in Grossstädten hängen sich manche ihr Fahrrad wie ein Kunstwerk an die Wohnzimmerwand, diebstahlvorbeugend. Dank Verkehrschaos und steigender Spritpreise ist hierzulande bald niemand mehr radlos. Eigentlich sollte man diese Klientel als «Bewegung Dritter Juni» bezeichnen.
Zugegeben, Fahrräder tun viel Gutes. Sie kümmern sich um die Volksgesundheit, obwohl viele Radprofis eine ungesunde Gesichtsfarbe haben, weil sie ständig im Windschatten leben. Auch kommen sie oft recht ausgemergelt daher. Trotzdem: Fahrräder tragen zur Belebung des innerstädtischen Verkehrs bei und halten die Reaktionsfähigkeit des Autofahrers geschmeidig. Sie haben Regisseure wie Vittorio de Sica zu seinem grandiosen Werk «Fahrraddiebe» inspiriert sowie Karl Valentin zu seinem legendären Dialog «Ihr Schutzblech klappert!» Sie haben die Märchenwelt bereichert: «Radkäppchen und der böse Wolf». Oder die zeitgenössische Musik mit Heavy Pedal.
Gefährlicher als gedacht
Dabei sind Fahrräder gar nicht so harmlos, wie sie immer tun. Als Mountainbikes schlagen sie Schneise um Schneise in den eh schon geschädigten Wald. Als E-Bikes lichten sie die Reihen unserer Senioren, die nicht selten fortan die Radieschen von unten betrachten dürfen. Als Rennrad zwingt es überambitionierte Sportler dazu, sich mit verbotenen Substanzen vollzustopfen. Selbst im Amateurbereich gibt es kaum mehr Thekenmannschaften, sondern weitgehend Apothekenmannschaften. Als City-Bike bringt es unaufmerksame Pendler mittels Strassenbahnschienen zu Fall. Bei Gewitter bieten sie keinen ausreichenden Schutz, das ist dann halt doch kein Faraday’scher Käfig. Als Ergobike planen sie Attacken auf den menschlichen Kreislauf. Ähnlich verhält es sich mit den mörderischen Fahrradkurieren.
Undurchdringlich
In manchen Städten sind die Bahnhöfe nicht mehr erreichbar, weil sie von einem schier undurchdringlichen Kordon abgestellter Drahtesel umgeben sind. In diesen Städten finden wir auch die ulkigsten Namen für Ladengeschäfte wie z. B. «Fahrrad am Vaterland», in denen Menschen arbeiten, die sich mit Speichennippeln ebenso auskennen wie mit der Hinterradgabel. Für viele Kunden sind solche Läden längst die Nabe der Welt.
Weltlage
Lange verfügten die Schweizer sowohl über Drahtesel als auch über Stahlrösser. Die Armee hat seit 1905 Militärfahrräder eingesetzt und ist wohl deshalb nie angegriffen worden. Die Radfahrtruppen wurden 2003 abgeschafft. Wenn das mal nicht voreilig war, angesichts der Weltlage.
Der dritte Juni ist der Tag, an dem Radfahrer ihrer Göttin huldigen dürfen: Der Minus von Velo. Stossen wir drauf an mit einem Radler, denn am 3. Juni feiern wir den Internationalen Weltfahrradtag.