Somms Memo

Deutschland und sein Fussball. Es geht beiden schlecht. Anmerkungen zu einer Tragödie

image 2. Dezember 2022 um 11:25
Finis Germaniae? Deutsche Fussballer halten aus Protest gegen die Fifa den Mund zu. Drei Spiele später fahren sie nach Hause.
Finis Germaniae? Deutsche Fussballer halten aus Protest gegen die Fifa den Mund zu. Drei Spiele später fahren sie nach Hause.
Die Fakten: Deutschland scheidet an der Fussball-WM in Katar aus. Nach 2018 in Russland scheitert es zum zweiten Mal bereits in der Vorrunde.
Warum das wichtig ist: Die BRD stieg mit dem WM-Titel von 1954 auf, sie geht unter – mit einer Mannschaft, die noch schlechter Politik macht, als sie Fussball spielt.
Was haben sich manche Deutschen gefreut, als sie erfuhren, dass ihre Mannschaft mit einer Kapitänsbinde («One Love») an der WM auftreten wollte, um damit gegen die Verfolgung von Homosexuellen in Katar zu protestieren
  • leider verbot die Fifa, der Verband der Monster, diese angeblich mutige Geste

Was waren die Deutschen immerhin ein wenig stolz, dass ihre Fussballer sich nicht unterkriegen liessen und sich stattdessen auf dem Gruppenbild vor dem Spiel den Mund zuhielten
  • bevor sie gegen Japan verloren, den ehemaligen Verbündeten aus dem Zweiten Weltkrieg, der normalerweise besser Krieg zu führen versteht als mit dem Fussball umzugehen

Nicht in Katar. 1:2 brach Deutschland ein.
  • Der Tragödie Erster Teil.
Vielleicht hätten sich auch die Deutschen besser auf den Fussball konzentriert als auf die Rettung der Welt: «One Love».
Gestern Donnerstag gewannen sie zwar 4:2 gegen Costa Rica, einen Fussball-Zwerg, doch Spanien verlor gleichzeitig 1:2 gegen Japan, womit es für Deutschland nicht reichte, ins Achtelfinale vorzustossen.
Wenn die Spanier sich angestrengt hätten, wäre Deutschland wohl weitergekommen – aber die Spanier verhielten sich, als hätten sie gerade die ewige Siesta entdeckt. Warum sollten sich auch ausgerechnet den eingebildeten, politisch so korrekten Deutschen helfen, die nach Katar gekommen waren, in der Meinung, Weltmeister zu werden – was sie auch gerne jedem mitteilten, der es hören wollte.

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Wer ist nun der Fussball-Zwerg?
  • Der Tragödie Zweiter Teil.
«Es ist wie der Tod einer Liebe. Mein Gott, wie liebten wir Deutschen unseren Fussball», schreibt heute der Journalist Franz Josef Wagner in seiner berühmten Kolumne in der BILD-Zeitung («Post von Wagner»):
«Es war 1954, als der Fussball uns Deutsche neu erschaffen hat. Wir wurden aus einem bösen Land ein gutes Land, wir wurden Weltmeister
Tatsächlich war Fussball im Land, das im Laufe nur weniger Jahrzehnte zwei Weltkriege verloren hatte, stets mehr als Fussball.
  • Eine Art Ersatz für das schwer diskreditierte Nationalbewusstsein – nachdem diese Nation gerade fast ganz Europaverwüstet und 6 Millionen Juden umgebracht hatte
  • Eine Erweckungsreligion in einem Land, dessen Eliten nun behaupteten, man müsste nun in erster Linie stolz auf die Verfassungsein

Wer fühlte da irgendetwas im Bauch? Es konnte nicht klappen. Niemand würde sterben wollen für das Grundgesetz. Aber für die Aberkennung eines Goals im Wembley-Stadion gegen die Engländer? Das unter Umständen schon.
1966 verlor die BRD gegen England im WM-Finaleim Londoner Wembley-Stadion, weil ein englisches Tor anerkannt wurde, das vielleicht auch nur ein Lattentreffer gewesen war. Jahrelang diskutierten die Deutschen danach über Recht und Unrecht dieses Entscheids, wie sie früher über Immanuel Kant oder Karl Marx verhandelt hatten.
Zu diesem Zeitpunkt war man schon 1954 Weltmeister geworden, es folgten Titel in den Jahren 1974, 1990 und 2014. Eine Grossmacht war entstanden – ohne Kriege, ohne Gebietsabtretungen, sondern mit friedlichen Mitteln. Nur Brasilien war erfolgreicher.

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Wären die Deutschen doch beim Fussball geblieben.
Stattdessen will Deutschland neuerdings auch Moralweltmeisterwerden. Was Emanuel Geibel, ein eher untalentierter Dichter, im Jahr 1861 geschrieben und Wilhelm II., der Kaiser der Maulhelden, später gerne bekräftigt hat, soll offenbar wieder gelten:
«Am deutschen Wesen soll die Welt genesen»
  • Weltmeister der Energiewende. An den deutschen Erneuerbaren soll sich die Welt erneuern
  • Weltmeister von LGBTQ+ – deutsche Liebe für alle Menschen, ob in Katar oder Kairo, Berlin oder Biberach
  • Weltmeister des Postnationalismus: Weil Deutschland als Nationalstaat gesündigt hat, müssen nun alle NationalstaatenBusse tun. Sind wir nicht alle Europäer? Oder Weltbürger? Raten uns die deutschen Weltbürgermeister

Die BRD, wo ich in den späten 1980er Jahren studiert habe, war ein grossartiges Land. Liberal, tüchtig, weltweit bewundert, vernünftig, selbstkritisch. Darauf konnten, darauf durften die Deutschen stolz sein.
Seit der Einheit, so mein Eindruck, hat sich das Land verirrt – im Dschungel der linken Weltverbesserung, in der Wüste der politischen Korrektheit, am Nordpol, wo auf immer Frieden herrschen soll
Moralweltmeister? In Anbetracht der jüngeren Geschichte Deutschland gehört diese Tätigkeit wohl nicht gerade zu den Kernkompetenzen:
  • Statt sich auf seine Stärken zu besinnen: Ingenieurskunst, Unternehmertum, Sachlichkeit, Wissenschaft, gute Organisation, eine liberale Verfassung, Tüchtigkeit und Ausdauer,
  • will Deutschland alles andere werden – nur nicht mehr Deutschland
So betrachtet ist der Niedergang des deutschen Fussballsdurchaus symptomatisch.
Vivek Ramaswamy, der amerikanische Unternehmer und Autor hat in seinem Buch «Woke Inc.», einem New York Times-Bestseller, darauf aufmerksam gemacht, wie man ein Unternehmen erkennt, das eigentlich in Schwierigkeiten steckt:
  • Wenn die Manager mehr über Anti-Rassismus, Klima und Inklusion am Arbeitsplatz reden als über die Bottom Line ihres Geschäfts, dann heisst es:
  • Finger weg! Ja, keine Aktien kaufen! Der Bankrottist nicht weit
Das gleiche gilt für Deutschland. Hier wird zu viel über One Love und Windräder nachgedacht – und zu wenig über die Zukunft.
2018 ausgeschieden. 2022 ausgeschieden.
Wie schlimm es ums Land steht, erahnt man erst, wenn man die BILD-Zeitung liest. In ihrem Kommentar zum Untergang in Katar heisst es:
«Hätten wir doch wenigstens den Mut gehabt und wären mit dieser Arm-Binde aufgelaufen – dann hätten die Millionen Fans in Deutschland heute wenigstens einen Grund, auf ihre Nationalmannschaft stolz zu sein
Tatsächlich? Ein paar zusätzliche Tore hätten ihnen wohl mehr Freude gemacht.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende, vielleicht scheidet ja auch die Schweiz noch aus – aus Solidarität.
Markus Somm

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