Somms Memo

Der Klimawandel hilft der Landwirtschaft – oder gute Nachrichten von der Apokalypse

image 18. Januar 2023 um 10:45
Jahr für Jahr ernten die Bauern weltweit mehr Reis, Weizen und Mais. Dank dem angeblichen Weltuntergang. (Quelle: Keystone)
Jahr für Jahr ernten die Bauern weltweit mehr Reis, Weizen und Mais. Dank dem angeblichen Weltuntergang. (Quelle: Keystone)
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Die Fakten: Der Klimawandel führt dazu, dass weltweit immer mehr Getreide produziert wird. Die wärmere Temperatur hilft. Fast jedes Jahr ist ein neuer Rekord zu vermelden.
Warum das wichtig ist: Wer meint, der Klimawandel sei nur ein Fluch, täuscht sich oder täuscht andere. Er ist auch ein Segen.
Als Anfang Januar die Skipisten grün blieben, als ob es Hochsommer wäre, erschienen in den Medien diverse Artikel, die den Niedergang der Skigebiete beklagten:
  • Karten zeigten, wer zum Sterben verdammt ist (Sörenberg: RIP) und wer überleben dürfte (St. Moritz, Zermatt, Jungfraujoch)
  • Experten wurden befragt, die den Bergbahnenbetreiber empfahlen, nun endlich innovativ und unternehmerischzu denken, während die gleichen Experten (oft an einer Universität tätig) noch nie im Leben auch nur ein Skischuh verkauft haben
  • Politiker traten auf und taten, was Politiker immer tun, wenn Journalisten sie nach ihrer Meinung fragen: Jetzt muss der Staat den Skigebieten helfen! («Ich habe schon 1983 einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Er ist noch hängig.»)

So viel Mitleid war jedenfalls nie – ausgerechnet mit den Berglern, die man früher als geldgierig kritisierte, wenn sie einen weiteren Skilift planten. Natürlich bestätigten diese Artikel ein Narrativ, wie man das heute so klug sagt: das Narrativ der nahenden Apokalypse. Zu Deutsch: Es kommt immer schlimmer.
· Jetzt ruiniert der Klimawandel sogar den schweizerischen Skitourismus
· Wer glaubt, er lebe in der Schweiz auf einer Insel der Glückseligen, weil wir nie vom steigenden Meeresspiegelbehelligt werden, unterliegt einem Irrtum. Auch mangelnder Schnee kann töten
Seit etwa 1850 hat die Temperatur der Atmosphäre und der Meere um rund 1,1 Grad Celsius zugenommen. Das ist unbestritten. Bis Ende 21. Jahrhundert sollen es laut Weltklimarat der Uno (IPCC) weitere 1 bis 1,8 Grad werden, das sind Prognosen, die, seit sie gemacht werden, immer wieder korrigiert wurden. Dennoch möchte ich sie nicht in Frage stellen. Ich akzeptiere sie als den neuesten Forschungsstand.
Ebenso räume ich ein: Ohne Zweifel sind Nachteile dieser Erderwärmung sichtbar – und weitere werden auftauchen. Wir erleben wohl nie mehr so strenge Winter wie früher, und wir werden nie mehr auf der Lägern Skifahren oder im Garten eine Bobbahn bauen können, wie wir das als Kinder noch getan haben. Das ist schade.
Ob wir uns allerdings auf eine Apokalypse vorzubereiten haben, halte ich für sehr unwahrscheinlich – und auch die Zahlen erlauben diesen Schluss nicht:
  • 1,8 Grad wärmer im schlimmsten Fall?
  • Das ist nicht der Weltuntergang, sorry, Greta.

Dass die Menschen sich aber Sorgen machen, dass laut Umfragen ein grosser Teil unserer Jugend befürchtet, nie mehr alt zu werden, weil inzwischen unser Planet unbewohnbar geworden ist, wenn sie dann erwachsen sind:
  • Das liegt auch an uns Journalisten, die jeden Skilift, der eingeht, sterbebegleiten, als handelte es sich um ein Tier, das für immer verschwunden ist
  • Es hängt mit der Einseitigkeit der Berichterstattung zusammen. Alles, was als Nachteil der Klimaerwärmung gelten kann, ist News, alles, was dagegenspricht, ist es nicht wert, als Nachricht zu erscheinen

Ein Beispiel. Ein gewichtiges Beispiel.
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Die Klimaerwärmung ist ein Segen für die Landwirtschaft. Seit es wärmer wird, steigen die Erträge der Bauern laufend. Sie produzieren mehr, vor allen Dingen produzieren sie immer mehr pro Hektar, sie holen mehr aus dem Boden heraus:
  • 2019 bedeutete weltweit ein Rekordjahr für Mais, Weizen und Reis
  • Seit 2015 nahm die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Landwirtschaft unablässig zu. Laut USDA (Departement of Agriculture) wurde in den Jahren 2017, 2018 und 2019 so viel Mais (Tonne/Hektar) wie noch nie geerntet
  • Das gleiche gilt für Reis und Weizen: Nie, seit es Amerika gibt, erzielte man so hohe Erträge

Was in den USA zu beobachten war, stellt die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno, für die ganze Welt fest (siehe FAO: World Food Situation, März 2020).
Überall wachsen die Erträge, jedes Jahr nehmen die Tonnen von Getreide zu, die auf den Markt kommen. Selbst der Ukraine-Krieg hat das kaum geändert – obwohl die Ukraine einer der wichtigsten Getreideproduzenten darstellt und letztes Jahr aus nachvollziehbaren Gründen weniger hohe Ernten einfuhr.
Für dieses erfreuliche Wachstum ist der Klimawandel verantwortlich – nicht allein, aber im Wesentlichen:
  • Die Anbausaison wird dank wärmeren Temperaturen länger
  • Frostzeiten kommen seltener vor und dauern kürzer
  • Die Niederschläge nehmen zu
  • Schliesslich wirkt das CO2, das in zusehends höherer Dosis in der Atmosphäre auftritt, als Dünger

Wenn wir uns vor Augen führen, dass inzwischen rund 8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, dann ist das eine gute Nachricht. Ohne Klimaerwärmung fiele es unseren Bauern viel schwerer, all die vielen Menschen in Zukunft zu ernähren. Vermutlich wäre es unmöglich. 1850 gab es 1,3 Milliarden Menschen.
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Skifahren im Unterland. Der Skilift in Regensberg auf der Lägern (zur Zeit geschlossen.)
Skifahren auf der Lägern oder Hunger in Afrika? Niemand will diese Wahl.
Oder wie es der französische Philosoph Jacques Derrida einmal sagte:
«Das Ende nähert sich, aber die Apokalypse ist langlebig
Ich wünsche Ihnen einen herrlichen Tag, (falls Sie auf der Skipiste sind)
Markus Somm

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