Gleichstellungs-Programme

Der Diversity-Wahn an Hochschulen

image 12. September 2022 um 17:12
Der Regenbogenkurs der Akademiker. Bild: Keystone
Der Regenbogenkurs der Akademiker. Bild: Keystone
Früher waren es kleine Gleichstellungsbüros an den Universitäten. Heute sind es Abteilungen, die unter dem Namen «Diversity & Inclusion» Minderheiten, vor allem aber auch «Regenbogen-Ideen», an den Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Universitäten fördern. Sekundiert werden diese Abteilungen von einem grossen Lobby-Apparat – von Vereinen, Fachbeiräten, Beratungsstellen, Gender-Organisationen und Think-Tanks. Alle verabschieden Programme, Strategiepapiere, Absichtserklärungen, Zielvereinbarungen und Jahresberichte zur Besserstellung von ausgewählten Personengruppen, was wiederum umfangreichen Monitorings und Controllings unterzogen wird. Die zu «Diversity & Inclusion» ausgebauten Gleichstellungsbüros belasten die Budgets der Universitäten und Hochschulen inzwischen mit Millionenbeträgen.

Was wichtig ist:

  • Die früheren Gleichstellungsbüros sind zu Abteilungen «Diversity & Inclusion» ausgeweitet worden.
  • Die Universitäten stehen unter internationalem Druck, Diversity-Programme anbieten zu müssen
  • Installiert worden sind unzählige Parallelstrukturen.


Seit 2010 liegt der Frauenanteil an den Hochschulen, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen über 50 Prozent, Tendenz steigend. Das Bundesamt für Statistik weist aktuell einen Frauenanteil von 52,6 Prozent unter den Studenten aus. Man könnte also davon ausgehen, dass die Gleichstellungsbeauftragten ihre Aufgaben erfüllt und ihre Ziele erreicht haben; die Impulsprogramme zur Förderung der Frauen könnten, wenn nicht eingestellt, so doch reduziert werden.
Doch die Hochschulen und Universitäten haben die Aufgaben ausgeweitet. Inzwischen firmieren die Gleichstellungsbüros als Unterabteilung der Abteilung «Diversity & Inclusion». Für die Universitäten ist es ein Muss, nicht nur Behinderten möglichst barrierefreien Zugang zu gewähren, es braucht zusätzlich Coachingprogramme, Weiterbildungskurse, Aktionswochen, Veranstaltungen für Transsexuelle und Queer-Personen.

Beispiele aus den Universitäten

Zum Beispiel die Universität Bern: Im Jahr 2021 ist die Abteilung «Diversity & Inclusion» auf 520 Stellenprozente aufgerüstet worden, davon 140 Stellenprozente für befristete Projekte.
Man hat im «Aktionsplan Chancengleichheit 2021–24» das Thema Gleichstellung zwischen Frauen und Männern um weitere Themen wie physische und psychische Beeinträchtigungen, Alter, ethnische und soziale Herkunft, sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität erweitert, wie Uni-Vizedirektorin Silvia Schroer bekannt gibt.
In Wahrheit wird allerdings weit mehr Personal für die Diversity-Programme eingesetzt. Für die jährliche Überprüfung der Umsetzung der Universitätsstrategie finden beispielsweise Strategiegespräche zwischen der Universitätsleitung und den Leitungen der strategischen Zentren statt. An diesen Strategiegesprächen werden die Umsetzung der Leistungsaufträge diskutiert sowie weitere strategische Themen besprochen. Es geht um Themen wie Gleichstellung von Frauen und Männern, Menschen mit Behinderung, psychische Gesundheit, Rassismus, soziale Herkunft und Alter.
Nebst den Personalkosten für die Beschäftigung des offiziellen Teams weist die Uni Bern einen Betriebskredit von 46’000 Franken pro Jahr aus. Hinzu kommen verschiedene Unterstützungsprogramme für die Universitätsangehörigen, zum Beispiel das COMET-Programm, einen Entlastungspool für Professorinnen und Professoren mit Kindern und Jobsharing-Tandems, Coaching-Angebot und Beratung für Doppelkarrierepaare, Kursprogramm Chancengleichheit und Notfallbetreuung von Kindern zu Hause. Insgesamt stehen dafür jährlich 315'000 Franken bereit.
Das ist längst nicht alles. Den Fakultäten und Zentren stehen separat jährlich weitere 18‘500 Franken von der Universität für die Umsetzung ihrer Massnahmen zur Verfügung. Die Gesamtsumme für die acht Fakultäten an der Uni Bern beträgt 148'000 Franken pro Jahr.

Steuerung der Gesteuerten

Regenbogenbunt ist die Homepage der Gleichstellungsabteilung der Universität Zürich, wo es einen Link zum LGBTQ-Label gibt, wo man sich zum «positiven Umfeld der trans-Menschen zählt» und gleich dort spenden kann, wo herausgestrichen wird, dass die Uni die Pride Zürich unterstützt und wo Megabyte-schwere Dokumente – Aktionspläne, Verhaltenskodexes, Sprachleitfäden, Global-Strategien – heruntergeladen werden können. Die Fachstelle ist mit sechs Frauen und einem einzigen Mann besetzt. Es würden 500 Stellenprozente eingesetzt, sagte Christiane Löwe, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität, gegenüber Nebelspalter (Link). Bei der Frage nach dem Budget wurde es Löw unwohl: «Warum wollen Sie das wissen?», fragte sie zurück und gab darauf bloss den Stellenetat bekannt.
In Zürich gesellt sich eine Gleichstellungskommission zur Fachstelle «Diversity & Inclusion», bestehend aus Präsidentin, Vizepräsidentin, Geschäftsführerin und einer 15-köpfigen Mitgliedergruppe mit eigenem Aufgaben- und Kompetenzbereich. Doch das Personal reicht offenbar nicht aus, um die Gleichstellung an der Universität sicherzustellen. 2017 wurde eine achtköpfige Steuerungsgruppe «Diversity Policy» ins Leben gerufen. Dort tauchen teilweise dieselben Namen von Personen auf, die in den anderen Gremien sitzen.
Etwas anders ist die Universität Basel organisiert. Die Basler haben eine zentrale Fachstelle Diversity & Inclusion im Vizerektorat People & Culture geschaffen. Sie hat aktuell 245 Stellenprozente und ein Sachmittel-Budget von 30'000 Franken pro Jahr. Begleitet wird die Fachstelle von einer «Kommission Diversity» als strategisch beratendes Gremium.
Daneben beschäftigen die Fakultäten einzelne Chancengleichheits- oder Gleichstellungskommissionen mit separaten Programmen. In der Medizinischen Fakultät ist es beispielsweise eine ständige Kommission, die den Fokus auf die Förderung der Frauen setzt und ausschliesslich weibliche Mitglieder für Struktur-, Wahl- und Berufungskommissionen nominiert und vorschlägt. In anderen Fakultäten haben die Kommissionen eher eine beratende Funktion.

Frauenpotenzial scheint ausgeschöpft zu sein

Weit weniger bunt sind Inclusion-&Diversity-Themen an der Wirtschaftsuniversität der Schweiz, der Hochschule St. Gallen (HSG). Primär geht es um Frauenförderung an der Universität, die mit 35 Prozent den geringsten Frauenanteil in der Schweiz ausweist. Die universitäre Welt von Zahlen und Wirtschaftsstatistiken mag das weibliche Geschlecht kaum stärker an die Schule zu locken, der Frauenanteil stagniert. Dennoch sind die Anstrengungen gross. In der «Diversity-Zentrale» setzt die HSG 2,8 Vollzeitstellen ein. Neben den Ausgaben für dieses Personals gebe es an der HSG zwar keine speziellen Betriebskredite, teilt die HSG mit. Der Einfluss der Gleichstellungsstrategie ist aber in jeder Nervenfaser der HSG zu spüren. Um nur einige zu nennen:
  • Diversity & Inclusion – Forschung, Lehre und Angebote für Unternehmen und Gesellschaft
  • der Fachbereich Gender & Diversity an der School of Humanities and Social Sciences (SHSS)
  • der Forschungsbereich Gender & Diversität am Lehrstuhl für Organisationspsychologie (SHSS, School of Management / SoM)
  • das Kompetenzzentrum für Diversity und Inklusion (CCDI) an der Forschungsstelle für Internationales Management (FIM)

Ausführlich, in fast 100-seitigen Berichten, wird jeweils er Frauenanteil «monitorisiert».

Druck von «oben»

Faktisch sind die Universitäten und Hochschulen zum Ausbau von Diversity-Programmen gezwungen. So lässt die Uni Basel in ihren einleitenden Worten zum Aktionsplan «Gleichstellung, Diversity & Inclusion» durchblicken, dass ihre Gleichstellungspläne «Zulassungskriterium» sind, um am europäischen Forschungsförderungsprogramm «Horizon Europe» teilzunehmen – ohne entsprechende Projekte kein Forschungsgeld. Die Universität Bern verweist auf ein besseres Ranking, wenn die Karte «Diversity & Inclusion» gut ausgespielt wird. Hochschulen, denen es gelingt, diese kognitiven und wertebasierten Unterschiedlichkeiten als Ressource zu nutzen, scheinen mehr kreative und innovative Lösungsansätze zu generieren, lautet das Kriterium. Und dann macht auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD Druck mit ihrem jährlichen Rapport, in dem Diversity-Sünden benannt werden.
Die Hochschulen der Schweiz wollen jedenfalls nicht auf einer möglichen Schwarzen Liste landen. Zusätzlich zu ihren Diversity-Initiativen wirft der Verband «Swissuniversities», der zwölf Universitäten, zehn Fachhochschulen und 14 pädagogischen Hochschulen angeschlossen sind, weitere fünf Millionen Franken in den «Diversity & Inclusion»-Topf. Finanziert werden 20 entsprechende Projekte.

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