Somms Memo
Das Gespenst der Inflation. Experten erwarten bis zu zehn Prozent weltweit.
Der Zustand der Geldmengen nähert sich dem Dagobert-Duck-Standard. Die Inflation nimmt weiter zu.
Die Fakten: Weltweit wird eine Inflation von fast zehn Prozent erwartet – im Schnitt, je nach Land. Das ergibt eine Umfrage unter rund 1700 Wirtschaftsexperten.
Warum das wichtig ist: Das sind Erwartungen, die noch höher liegen als im Sommer. Sie zeigen, dass die Interventionen der Zentralbanken wenig bewirkt haben.
Otmar Emminger, ein berühmter Präsident der deutschen Bundesbank in den 1970er Jahren, sagte einmal:
«Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet».
Inzwischen sind wir weit über das Stadium der Eheanbahnung hinaus. Es wurde geheiratet – und zwar etwa 129 Mal.
Aus so vielen Ländern stammen nämlich die Experten, die das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern und das ifo Institut in München zum Thema Inflation befragt haben, – und alle gaben an, dass sie für ihr Land in den kommenden Monaten noch mehr Inflation erwarten. Die Studie wurde diese Woche veröffentlicht.
- Die rund 1700 Wirtschaftsexperten arbeiten an Universitäten, grossen Unternehmen, Botschaften oder internationalen Organisationen
- Sie sind «handverlesen», wie das IWP schreibt, sie gelten als «renommiert»
- Und sie werden alle drei Monate um ihre Einschätzungen der Wirtschaftslage gebeten, das Ergebnis ist der Economic Experts Survey (EES)
Was die Experten sagen, ist furchterregend. Je nach Region bekommen wir es mit stetig steigender Inflation zu tun – im Durchschnitt:
- Westeuropa: 7,4 Prozent
- Südeuropa: 11 Prozent
- Und in Nordeuropa sogar 12,1 Prozent
- Wogegen in Nordamerika mit Preissteigerungen von 7,3 Prozent gerechnet wird
Für die Zentralbanken, die in den vergangenen Wochen die Zinsen zum Teil deutlich (Federal Reserve der USA: um etwa 3 Prozentpunkte) erhöht haben, um die Inflation in den Griff zu bekommen, sind das schlechte Nachrichten.
Es zeigt, ihre Medizin wirkt wenig, der Patient fiebert weiter, und die Familienangehörigen stehen ums Bett und machen sich Sorgen. Hat der Patient auch ein Testament gemacht?
Wenn ein Land verschont zu bleiben scheint, dann die Schweiz:
- Hier geben die Experten eine Prognose von 3,7 Prozent an, die damit allerdings immer noch fast doppelt so hoch liegt, als das was die Schweizerische Nationalbank SNB als «Preisstabilität» bezeichnet (2 Prozent)
- Ähnlich günstig sieht die Lage in Südostasien aus: 5,6 Prozent
Gewiss, das sind «Erwartungen», keine Fakten, die Ereignisse, wovor wir uns fürchten, sind noch nicht eingetreten. Wenn es aber um Inflation geht, dann kommt es gerade auf diese Vorstellungen der Zukunft an.
Solange die Menschen glauben, die Inflation nehme weiter zu, verhalten sie sich auch so, dass sie zunimmt.
- Firmen erhöhen ihre Preise
- Arbeitnehmer verlangen höhere Löhne
- Politiker begehen noch mehr Fehler als sonst, in der Hoffnung, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, indem sie sie nun auch in der Zukunft machen
So hat etwa die Regierung Biden mehrere kostspielige Corona-Konjunkturprogramme beschlossen, die die Inflation um etwa 3 Prozentpunkte in die Höhe getrieben haben.
Die Biden-Inflation?
In Anbetracht der Tatsache, dass so gut wie jedes Land auf der ganzen Welt von steigender Inflation betroffen ist, darf man den US-Präsidenten Joe Biden aber auch mit Nachsicht behandeln.
So sehr er versagt hat – seine Kollegen in Europa, Asien oder Afrika haben es offensichtlich nicht besser gemacht.
Wenn wir fragen, warum es so weit gekommen ist, dann geben die Experten im Wesentlichen drei Antworten
- Die Zentralbanken haben zu lange versucht, mit einer expansiven Geldpolitik Probleme zu lösen, die sie gar nicht zu lösen imstande sind, wie etwa unterbrochene Lieferketten infolge der Corona-Pandemie oder Energieengpässe
- Seit 2008 haben die Zentralbanken die Märkte mit Geld geflutet, ohne dass es je zu nennenswerter Inflation gekommen wäre. Zugleich trauten sie sich immer mehr zu, zumal ihnen Politiker und Bürger immer mehr zutrauten. Am Ende überschätzten sie sich – auch die eigene Glaubwürdigkeit. Sie meinten, so die Experten, sie würden eine kurzzeitige Inflation spielend eindämmen können. Das war ein Irrtum
- Die Zentralbanken rechneten mit einem tiefen, «natürlichen» Zins, sie kümmerten sich lieber um die Stimulation der Wirtschaft als um das biedere Geschäft der Preisstabilität. Solange die Inflation nie aufkam, ganz gleich, was die Zentralbank auch tat, herrschte eine gewisse Frivolität an der Notenpresse
Mag sein, dass sie dazu auch verführt wurden. War es nicht schmeichelhaft? Als ob sie die Masters of Universe wären, wurde ihnen von Politikern und Bürgern alles überantwortet: Die Rettung des Kapitalismus, die Rettung des Sozialstaates, die Rettung des Klimas.
Auch in der Schweiz fordern seit Jahren linke und klimaaktivistische Kreise von der Nationalbank, dass sie ihre Anlagepolitik der Klimaagenda unterwirft: So soll die SNB keine Aktien mehr von Firmen kaufen, die mit fossilen Brennstoffen zu tun haben. Zwar blieb die SNB mehr oder weniger standhaft – wenn man auch bei der Kohle nachgab und nicht mehr in die entsprechenden Firmen investierte. Mit anderen Worten, man bekräftigte das Narrativ der Linken.
Hinterher ist man klüger: Wenn etwas zur Inflation beigetragen hat, dann die verfehlte, nämlich linke Energiepolitik in den meisten Ländern. Die Energiepreise explodierten. Und wir erleben heute eine Renaissance der fossilen Brennstoffe. Manche wären froh, wir hätten mehr Gas und mehr Öl gefördert.
Deutschland hat eben seine Kohlekraftwerke wieder hochgefahren.
Klima, Inklusion, soziale Gerechtigkeit? Die SNB kann alles.
Es war eine gigantische Ablenkung von dem, wozu wir Zentralbanken haben: Uns mit stabilem, sicherem Geld zu versorgen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist anspruchsvoll genug.
Oder wie es Friedrich August von Hayek, der grosse österreichisch-amerikanische Ökonom, einmal ausgedrückt hat:
«Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Geschichte weitgehend eine Geschichte der Inflation ist, – und diese wird in der Regel von Regierungen zum Nutzen von Regierungen geschaffen.»
Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Tag
Markus Somm
P.S. Heute findet im Zunfthaus zur Schmiden in Zürich ein Nebelspalter-Event mit Armeechef Thomas Süssli statt. Noch sind sehr wenige Plätze frei, wer zuerst kommt, den belohnt das Leben.
P.SS. Die lesenswerte Studie des IWP und des ifo Instituts finden Sie hier.