Somms Memo
Das Ende von Affirmative Action: Ein Segen für die Schwarzen
Proteste vor dem Supreme Court. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: Das oberste Gericht der USA hat «Affirmative Action», die privilegierte Aufnahme von schwarzen und hispanischen Studenten, für verfassungswidrig erklärt.
Warum das wichtig ist: Damit endet ein 50-jähriger Irrweg, der den Schwarzen nichts gebracht hat – ausser Ressentiment, Misserfolg und Spott.
Als der amerikanische Kongress 1964 mit dem Civil Rights Act die Segregation, die staatlich zugelassene Diskriminierung der Schwarzen, wie sie insbesondere im Süden mehr als hundert Jahre lang betrieben worden war, für immer aufhob, war das eine der grandiosen Errungenschaften dieses grandiosen Landes:
- Obwohl die Sklaverei 1865 abgeschafft worden war – nach einem der blutigsten Bürgerkriege aller Zeiten – waren die Schwarzen in Amerika faktisch nie ganz befreit worden
- Im Süden herrschte «Jim Crow», wie diese diversen Gesetze genannt wurden, die ein brutales, kleinkariertes und rassistisches System am Leben erhielten, das die Schwarzen von den Weissen trennte
- Schwarze mussten in andere (schlechtere) Schulen gehen, Schwarze durften nicht in alle Restaurants, für Schwarze gab es spezielle (schmutzige) Toiletten, und Schwarze hatten im Bus hinten zu sitzen, während die Weissen vorne thronten – die Liste der Gemeinheiten liesse sich endlos fortsetzen
Jetzt wurden die «Jim Crow laws» endlich beseitigt – nach einem mutigen, fast immer gewaltfreien Kampf, den die Schwarzen unter Führung von Charismatikern wie Martin Luther King Jr. gewonnen hatten, aber lange nicht allein, vielmehr hatten sie sehr viele Weisse, besonders aus dem Norden, dabei unterstützt. Manche – Schwarze wie Weisse – waren dafür sogar gestorben. 1964 war ein Gesetz beschlossen worden, auf das die Amerikaner bis heute stolz sind. Zu Recht.
Das gleiche Gesetz, das die Gleichstellung aller Amerikaner unabhängig von ihrer «Rasse» durchsetzte, legte allerdings auch fest, dass niemand künftig gezwungen sei, eine Art positiven Rassismus anzuwenden:
- Kein Arbeitgeber, so heisst es im Gesetz, «muss eine Person oder eine Gruppe präferenziell einstellen», selbst wenn sich die Belegschaft anders zusammensetzt als etwa die ganze Bevölkerung
- Als die Politiker seinerzeit den Rassismus aus dem Gesetz verbannten, wollten sie ihn nirgendwo wieder auferstehen sehen – auch dann nicht, wenn er gut gemeint war
Trotzdem geschah das Gegenteil. Zuerst Gerichte und Behörden, dann Unternehmen und Universitäten stellten diese Regel auf den Kopf.
Seit Beginn der 1970er Jahren kam in den USA die sogenannte «Affirmative Action» auf, ein oft sehr komplexes Ausleseverfahren, das zum Ziel hatte, angeblich oder tatsächlich diskriminierte Minderheiten zu fördern, im Wesentlichen sorgte man sich um die Schwarzen, etwas weniger um die Hispanics und die Indianer
- Man sprach von Ungerechtigkeit, am Ende ging es nur um Prozente
- Wenn von allen Studenten, die eine Universität aufnahm, bloss 5 Prozent Schwarze waren, entsprach das weniger als deren Anteil an der Gesamtbevölkerung, der bei 13,6 Prozent liegt. Und schon musste die Universität befürchten, dass man ihr «Rassismus» vorhielt
Martin Luther King Jr., Bürgerrechtler: «I have a Dream.» Er meinte eine farbenblinde Gesellschaft. (Bild: Keystone)
Aus diesem Grund setzte sich eine Praxis fest, die darauf hinauslief, dass die Universitäten ihre Studenten nicht allein aufgrund der Fähigkeit und Intelligenz auswählten, sondern auch nach ihrer Rasse.
Kurz, das Leistungsprinzip galt nur von Fall zu Fall. Und das ausgerechnet an den besten Universitäten.
Wie etwa in Harvard. Diese älteste und wohl angesehenste Universität der USA, brachte gar das Kunststück zustande, dass der Prozentsatz von Schwarzen und Hispanics immer der gleiche war – was wohl kaum der Fall gewesen wäre, wenn es allein auf die Leistung angekommen wäre:
- In der «Class of 2009» waren 11 Prozent aller Studenten, die Harvard auswählte, schwarz
- 2012: 10 Prozent
- 2013: 10 Prozent
- 2018: 12 Prozent
Zwar stritt Harvard immer ab, man habe insgeheim Quoten für Rassen eingeführt, doch die Zahlen, die das oberste Gericht in seiner Urteilsbegründung zitierte, verraten das Gegenteil. Über zehn Jahre hinweg betrachtet bewegte sich die Bandbreite der zugelassenen Schwarzen zwischen 10 und 12 Prozent. Kann das ein Zufall sein?
- Kaum
- Jedenfalls vermuteten das auch andere Studenten, die nicht aufgenommen wurden, obwohl sie sehr gute Noten vorgewiesen hatten
In Amerika stammen diese Noten aus dem SAT, einem allgemein anerkannten Test, den so gut wie alle Universitäten benutzen, um ihre Bewerber zu beurteilen.
Insbesondere Studenten asiatischer Herkunft fühlten sich benachteiligt – und sie klagten gegen Harvard (privat) und die University of North Carolina (öffentlich), eine nicht minder renommierte Schule. Sie warfen den beiden Universitäten «rassische Diskriminierung» vor.
Wenn nämlich eine Gruppe, wie etwa die Schwarzen, bevorzugt wird, dann geht das nur, wenn man eine andere zurücksetzt. In den meisten Fällen waren das die Asiaten.
- Was für eine groteske Ungerechtigkeit
- Um das Unrecht, das die Weissen den Schwarzen einmal zugefügt haben, wiedergutzumachen, durften jetzt die Asiaten ihren Kopf hinhalten
Am Donnerstag fällte der Supreme Court das Urteil.
Wenn es auch keine Überraschung war, da das Gericht seit Donald Trump über eine klare konservative Mehrheit verfügt, so liess das Urteil dennoch das ganze Land erzittern.
- Affirmative Action, so befand das oberste Gericht, widerspricht der Verfassung (und dem Gesetz)
- Harvard – und alle anderen Universitäten – müssen ihr Aufnahmeverfahren revidieren. Rasse darf keine Rolle mehr spielen
Natürlich ist das eine gute Nachricht. Eine sehr gute sogar. Denn, wie so vieles, was gut gemeint ist, erwiesen sich dessen Folgen als weniger gut, wenn nicht miserabel. Ironischerweise gerade für die Schwarzen.
Warum, werde ich morgen in meinem Memo erklären.
Oder wie es Samuel Johnson, der grosse britische Autor, gesagt hat:
«Die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.»
Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Wochenbeginn
Markus Somm