Bundeshaus-Briefing #5

Credit Suisse, UBS und die Sondersession

image 8. April 2023 um 03:30
Nächste Woche im Fokus: Die Parteipräsidenten. Darunter auch Mattea Meyer und Gerhard Pfister. (Bild: Keystone)
Nächste Woche im Fokus: Die Parteipräsidenten. Darunter auch Mattea Meyer und Gerhard Pfister. (Bild: Keystone)
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Das gibt zu reden

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SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. (Bild: Keystone)
Nächsten Dienstag findet die Sondersession der eidgenössischen Räte zum Credit Suisse-Debakel statt (Link zum Sessionsprogramm als PDF). Unmittelbar nach dem durch den Bund herbeigeführten Kauf der CS durch die UBS machten Politiker das, was sie immer tun: Sie schlugen schärfere Regulierung vor.
Trennbankensystem, Absplittung der CS Schweiz, mehr Macht für die Finma, Boni-Verbot oder eine höhere Eigenkapitalquote: Bei genauerem Hinsehen vor allem gut gemeint statt wirklich gut. Auch darum entschärfte die Wirtschaftskommission des Nationalrates diese Woche die Anträge der SP für Kommissionsvorstösse. Sehr zum Leidwesen von SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (Quelle):

«Leider zeigt sich, was wir befürchtet haben: Das Parlament bleibt fest im Würgegriff der Banken- und Finanzplatzlobby. Nach zwei Wochen ist der mit viel Mediengetöse angekündigte Reformeifer von SVP, FDP, Mitte und GLP schon wieder weg.»


Dass der «Würgegriff» mit Realitätssinn zu tun haben könnte, kann sich Wermuth nicht vorstellen. Dabei wäre Wirtschaftspolitik gar nicht so schwer. Der Wirtschaftsjournalist Henry Hazlitt hat eine einzige Lektion und diese in einen einzigen Satz zusammen gefasst, die man von den Wirtschaftswissenschaften verstehen muss:

«Die Kunst des Wirtschaftens besteht darin, nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die langfristigen Auswirkungen jeder Massnahme zu sehen; sie besteht ferner darin, die Folgen jedes Vorgehens nicht nur für eine, sondern für alle Gruppen zu bedenken.»


(Henry Hazlitt: Economics! Über Wirtschaft und Misswirtschaft, S. 27, deutsche Ausgabe antiquarisch erhältlich, englische Ausgabe)
Was Not tut, ist sicher eine nüchterne Analyse. Dazu könnte eine Parlamentarische Untersuchungskommission einen Betrag leisten. Der Finanzmarkt ist eine der am dichtesten regulierten Märkte überhaupt. Und all' dies hat doch nichts genützt. Das jahrelange Missmanagement an der CS-Spitze, besonders das fehlende bis unwirksame Riskmanagement, sind nicht strafbar. «Bankenkrisen kann man nicht weg regulieren», sagte Ex-UBS-Chefökonom Klaus Wellershoff in der Arena von SRF. Das Papiergeldsystem ohne hinterlegte Werte wird immer wieder zu Vertrauensverlusten und früher oder später zu Bank-Runs führen. Wer ein staatliches Geldsystem befürwortet, muss mit einer letztlichen Staatshaftung leben.

Was nächste Woche aktuell wird

Die Sondersession vom Dienstag wird zu einer Mischung aus «Kropfleerete» und wahlkampfgetriebenen Empörungsbewirtschaftung. Es beginnt mit einem Ordnungsantrag von SP-Fraktionschef Roger Nordmann (PDF), der vier SP-Vorstösse aus 2021 unbedingt auf die Traktandenliste setzen will. Klar ist: Wer diesen (oder irgendeinen) Antrag der SP ablehnt, auf den wird man mit dem Finger zeigen. Es ist Wahlkampfzeit und die Parteien wollen aus dem Thema Kapital schlagen.
Schauen wir uns die wichtigsten Vorschläge einmal genauer und unter Berücksichtigung von Henry Hazlitts Regel an:
Trennbankensystem: Der Vorschlag unter anderem von Bankenprofessor Hans Geiger, von Christian Levrat oder Christoph Blocher tönt einfach und logisch: Das eigentliche Bankgeschäft und das Investmentbanking werden getrennt. Die Erfahrungen in den USA damit sind durchzogen. 1999 wurde die Trennung rückgängig gemacht. Die Idee funktioniert allerdings nur ohne Kollateralschaden, wenn die Bankkunden trotzdem einfachen Zugang zu den Leistungen eines Investmentbankings haben. So schlecht dessen Ruf auch ist: Für die Wirtschaft und deren Jobs ist Investmentbanking wichtig. Es bringt Geld für Innovation in die Schweiz. Blasen entstehen vor allem, wenn die Politik Einfluss nimmt und Fehlallokationen befiehlt – so geschehen bei der Immobilienkrise 2008, aus der die Finanzkrise wurde oder möglicherweise bald auch bei klimapolitischen Vorgaben.
Boni-Verbot: Die nicht ganz überraschende Idee der SP tönt gut, ist aber ein Rohrkrepierer. Der SP sind leistungsbezogene Vergütungen aus ideologischen Gründen ein Dorn im Auge. In einer Marktwirtschaft ist es normal, dass Leistung belohnt wird. Die langfristigen Folgen eines Verbots für die Volkswirtschaft wären fatal: Um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, müssten die Banken die Fixlöhne erhöhen – unabhängig von der Leistung ihrer Angestellten. Oder sie müssten mit weniger gutem Personal auskommen. Beides würde den Finanzplatz Schweiz schwächen.
Boni-Rückgabe: Es ist stossend, wie viel sich die CS-Spitze in all' den Jahren trotz Verlusten, Skandalen und dem Abfluss von Kundengeldern genehmigt hat. Doch unter welchem Rechtstitel dieses Geld der Aktionäre zurückgeholt werden soll, ist unklar. Wenn die Arbeitsverträge Rückforderungen vorsehen, dann nur zu. Noch nicht bezahlte Boni von rund 1000 CS-Bankern hat der Bundesrat gekürzt oder gestrichen. Das war eine Forderung der FDP, mehr Mikromanagement geht eigentlich nicht.
Höhere Eigenkapitalquote: Das Problem der CS war nicht zu wenig Eigenkapital, sondern ein Vertrauensverlust. Mehr Eigenkapital hätte wenig gebracht. Mehr Eigenkapital würde mehr Kosten verursachen. Der Vorschlag unter anderem von Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist ein Bumerang: Um gleich viel zu verdienen, müsste eine Bank risikoreichere Geschäfte machen. Ist das wirklich das Ziel dieser Idee?
Mehr Macht für die Finma: Auch das ein Vorschlag von Gerhard Pfister. Noch mehr Macht für die Regulatoren? Soll die Finma die Bank selber führen und deren Strategie genehmigen? Oder gleich in der Geschäftsleitung sitzen und die Umsetzung der Strategie überwachen? Die Finma selber fände es toll. Sie möchte Bussen verteilen. Doch was haben die Milliarden an Bussen bei der CS bewirkt?
Abtrennung der CS Schweiz: So logisch und wettbewerblich angezeigt dieser FDP-Vorschlag tönt: Dafür ist der Zug abgefahren, weil die Finma gemäss Kartellgesetz die Wettbewerbskommission übersteuert. Eine kartellrechtliche Prüfung war in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich. Wer die UBS jetzt noch dazu zwingen will, müsste einmal mehr zu Notrecht greifen – ohne jede rechtliche Grundlage, dafür mich rechtsstaatlichem Totalschaden. Für Sergio Ermotti steht fest, dass die neue UBS gar nicht zu gross ist, wie er in einem Interview mit einer italienischen Finanzblatt sagte. Man müsse mit den internationalen Mitbewerbern konkurrenzieren können. Gemessen an der Bilanzsumme hat der Tessiner recht: Allein in Europa gibt es fünf noch grössere Banken. Doch gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes mit dem Hauptsitz der Bank, sieht es anders aus. Darum gibt es eine weitere Idee.
Verbot von grossen Banken: Auch der SVP-Vorschlag tönt logisch: Wenn «too big to fail» das Problem ist, dann lösen wir das doch einfach mit einem Verbot von «too big». Selbst die SP machte in der Wirtschaftskommission des Nationalrates zuerst mit. Grosse Banken machen einen grossen Finanzplatz aus. Und ein grosser Finanzplatz bringt einen starken Franken, tiefere Zinsen und weniger Inflation. Alles Vorteile für den Standort und die Menschen, die hier leben. Und: Will die SVP den Franken riskieren und heimlich in den Euro?
Was bleibt? Nicht viel. Das Parlament dürfte die für den CS-Deal nötigen Garantien am Ende sprechen – und einige Postulate mit Prüfaufträgen verabschieden. Eine allfällige Parlamentarische Untersuchungskommission dürfte das Thema weiter bewirtschaften – aber das Ei des Kolumbus auch nicht finden.

Zu achten ist auf:

  • Bundesrätin Karin Keller-Sutter: Die St. Gallerin hat keine ruhigen Ostertage. Sie wird magistral den Deal verteidigen. Zeigt sie Schwächen? Und was sagt sie zum von Aussen betrachtet relativ späten Eingreifen der Behörden? Sagt sie etwas zu ihrem Vorgänger Ueli Maurer, der offensichtlich trotz Warnungen lange zugeschaut hat?
  • Die Parteipräsidenten: Im Wahlkampf müssen die Chefs an Deck. Wie schlagen sich die Rennleitungen der Parteien?

Was sonst noch läuft

Der Bundesrat und die Parlamentskommissionen sind im Übrigen den Osterferien. Nach der Sondersession wird nicht mehr viel passieren. Und viele von ihnen lesen dabei den Nebelspalter (kostenloses Probeabo hier lösen).
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Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – bis nächsten Samstag!

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