Bundeshaus-Briefing #15
Berset, Panzer-Deal, Nazi-Symbole, Tabakwerbung
Bundesrat Alain Berset nach der Bekanntgabe seines Rücktrittes am Mittwoch. (Bild: Keystone)
Wilkommen zum Bundeshaus-Briefing Nummer 15 des Nebelspalters. Hier lesen Sie, was nächste Woche aktuell ist.
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Das gibt zu reden
Alain Berset hat genug. Nach zwölf Jahren im Bundesrat tritt er im Dezember nicht mehr zur Wiederwahl an. Der Zeitpunkt des Rücktritts ist bewusst gewählt, wie alle Medienauftritte des SP-Bundesrates. Zuletzt sind die Stimmen verstummt, die ihn kritisiert hatten. Die Skandale um private Affären, sein Rencontre im Privatflugzeug mit der französischen Flugwaffe oder die «Corona-Leaks» seines engsten Mitarbeiters hat er bis auf ein paar diskret laufende Verfahren vor der Geschäftsprüfungskommission ausgesessen. Am Sonntag feierte er noch einen letzten Abstimmungserfolg.
Vor der Presse konnte er so den Eindruck erwecken, irgendwie doch auf einem Höhepunkt abzutreten. Daran ändern auch die zahlreichen Baustellen nichts, die er hinterlässt: Die AHV schreibt Milliardenverluste, die Schuld der Invalidenversicherung ist nicht kleiner geworden, die Krankenkassenprämien steigen – weil der Gesundheitsminister die Fehlanreize im System nicht angepackt hat.
Doch darüber wollte Alain Berset am Mittwoch lieber nicht reden. Er wich kritischen Fragen konsequent aus – und ausser die «NZZ» und der «Nebelspalter» liessen ihm das die Medien durchgehen. Viel lieber sprach er über die «Institutionen» und was sie ihm bedeuten (Quelle):
«Viel wichtiger als die Menschen sind die Institutionen. Ich war da, um aus den Institutionen das Beste zu machen.»
Damit hat Alain Berset selbstverständlich recht, bloss steht diese Bescheidenheit dann doch etwas im Widerspruch zu seiner Amtsführung. Berset hat zum Beispiel bei der Verknüpfung von Unternehmenssteuerreform mit AHV-Finanzierung, in der Corona-Politik oder mit der Bevorteilung von Medienhäusern mindestens ausgereizt, was die Institutionen möglich machten. Darum dürfte Alain Berset bei den einen als grosser Staatsmann und bei den anderen als Notrechts-Politiker mit zahlreichen Skandalen in Erinnerung bleiben.
Was nächste Woche aktuell wird
Am Mittwoch findet die letzte Bundesratssitzung vor den Sommerferien statt. Es kommt noch einmal zu einer grossen Auseinandersetzung über die Neutralität. Der dem Bund gehörende Rüstungskonzern Ruag will 96 in Italien gelagerte Panzer des Typs Leopard 1 via Deutschland ziemlich direkt in die Ukraine verkaufen. Das Problem: Weil das Bestimmungsland Ukraine offenbar im Vertrag erwähnt wird, kann der Bundesrat dem Geschäft nicht zustimmen, ohne das Neutralitätsrecht zu verletzen. Das Aussendepartement und das Militärdepartement versuchen zu argumentieren, dass das Neutralitätsrecht nur in der Schweiz gelte.
Am Donnerstag und Freitag geht die Landesregierung auf die traditionelle «Schulreise» in den Kanton des Bundespräsidenten. Alain Berset führt seine Kollegen nach Murten und nach Freiburg. Nach seinem Rücktritt wird das eine Art Abschiedstour. Er dürfte sie geniessen.
Die Kommissionen des Parlamentes arbeiten die ganze Woche. Allerdings werden vor allem sehr viele, nicht besonders wichtige Vorstösse behandelt.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrates beschäftigt sich noch einmal mit der Entlastung der Unternehmen. Nächste Woche dürften die wichtigen Entscheide fallen. Ob das Kernstück der ursprünglichen Idee des Gesetzes wieder in die Vorlage kommt, ist offen. Selbst Bürgerlichen ist eine Regulierungsbremse und eine unabhängige Stelle, welche die Regulierungskosten von politischen Geschäften unter die Lupe nimmt, suspekt.
Die Rechtskommission des Ständerates entscheidet am Montag über eine Motion, welche Symbole des Dritten Reiches verbieten will. Der Vorstoss stammt von der Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder. Es wäre eine Überraschung, wenn sich die Ständeräte dagegen wehren würden, auch wenn allen bewusst ist: Der Kampf gegen Faschismus und Rassismus wird nicht durch ein Verbot von dessen Symbolen gewonnen, sondern durch immer wieder neues Argumentieren gegen kollektivistische Ideologien und für die individuelle Freiheit, den Rechtsstaat und die Würde jedes einzelnen Menschen.
Die Gesundheitskommission des Ständerates behandelt die nächste Revision des Tabakproduktegesetzes. Mit ihr soll die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» umgesetzt werden. Bundesrat Alain Berset will nun aber praktischerweise Werbung auch für Erwachsene zum Beispiel im Internet gleich ganz verbieten. E-Zigaretten werden in (fast) den gleichen Topf geworfen wie traditionelle Raucherwaren. So viel zu Bersets Respekt vor den Institutionen.
Auch die «Kostenbremse-Initiative» der Mitte kommt in die ständerätliche Gesundheitskommission. National- und Ständerat streiten sich um einen indirekten Gegenvorschlag und dabei über die Frage, welche Behörde genau welche Kompetenzen bei der Anpassung von Tarifen bekommen soll. Zur Erinnerung: Entgegen dem Titel der Initiative ändert die Vorlage nichts an den Kosten, sie schafft nur mehr staatliche Kompetenzen. Die Initiative wurde 2018 mit mässigem Erfolg als Wahlkampfvehikel gestartet und soll diese Rolle auch dieses Jahr wieder spielen.
Gerhard Pfisters Wahlkampfvehikel, die «Kostenbremse-Initaitive», kommt in die Gesundheitskommission des Ständerates. (Bild: Keystone)
Zu achten ist auf:
- Auf die Bundesräte: Bis jetzt hat sich der Bundesrat im Zweifel stets für eine möglichst strenge Interpretation der Neutralität ausgesprochen. Die ausdrückliche Erlaubnis an die bundeseigene Ruag, Panzer an die Ukraine zu liefern, wäre ein Paradigmenwechsel.
- Gesundheitspolitiker des Ständerates (Liste): Machen sie mit, bei Alain Bersets Feldzug gegen Tabakwaren oder bleiben sie beim vom Volk gutgeheissenen Initiativtext?
Was sonst noch läuft
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates wird die neusten Beschlüsse des Bundesrates in der EU-Politik besprechen. In der Traktandenliste heisst das jeweils «kommissionsinterne Geschäfte». Die «Eckwerte» sind gar nicht so eckig herausgekommen. Der Bundesrat liess Ignazio Cassis gewähren. Aber Guy Parmelin und Elisabeth Baume-Schneider, die beiden anderen Mitglieder im Europa-Ausschuss der Landesregierung, liessen ihren Kollegen im Stich und weigerten sich, den Antrag mitzuunterzeichnen und mit ihm vor die Medien zu treten.
Die Probleme in diesem Dossier sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil: Die neuen möglichen Abkommen zu Strom und Gesundheit bringen neue Probleme mit sich, die in beiden Fällen mit dem «Elefanten im Raum» zu tun haben: der völkerrechtlichen Verpflichtung zum Nachvollzug von EU-Recht und dem Schiedsgerichtsverfahren vor dem Gerichtshof der EU. Ausgerechnet dazu steht nichts in den Eckwerten.
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