Somms Memo
Bern will sein Wappen ändern. Statt des Bären erscheint neuerdings ein Kater, der zu faul ist, Mäuse zu jagen.
Die Fakten: Jeder Zuger zahlt jedes Jahr rund 24 000 Franken in die Bundeskasse. Ein Berner 6700 Franken.
Warum das wichtig ist: Aller Voraussicht nach werden bald zwei Berner im Bundesrat sitzen. Und keiner aus Zug oder Zürich. Das bleibt inakzeptabel.
Die NZZ, besser: einer ihrer eher linksliberalen Journalisten (Fabian Schäfer), hält meine Meinung, wonach wenigstens ein einziger Nettozahler-Kanton in der Landesregierung sitzen sollte
- für ein «Bundesratskriterium», das ans «Absurde» grenzt
- es handle sich um eine «politische Sippenhaft, die mit der Realität nichts zu tun» habe
- «Vollends grotesk ist die These, mit sieben ‹Nehmer-Bundesräten› könnten sich die Nutzniesser ungehindert an den Honigtöpfen bedienen.»
Hört, hört.
Es geht um den Sitz von Ueli Maurer (SVP), der seinen Rücktritt aus dem Bundesrat erklärt hat. Er ist Zürcher.
Zur Zeit bewerben sich zwei Berner (Albert Rösti, Werner Salzmann) für die Nachfolge, ein Zuger (Heinz Tännler), neuerdings ein Zürcher (Hans-Ueli Vogt) und eine Nidwaldnerin (Michèle Blöchliger). In meinem Memo vom Montag habe ich mich dafür ausgesprochen, dass mindestens ein Repräsentant eines Netto-Zahler-Kantons in die Regierung gewählt werden müsste.
Die NZZ findet das absurd, grotesk und redet von «Polemik».
Hört, Hört.
Seit wann ein liberales Blatt offensichtlich der Auffassung ist, es spiele überhaupt keine Rolle, woher das Geld kommt, das Politiker und Beamten verbrennen, entzieht sich meiner Kenntnis: Es bleibt das Geheimnis von Schäfer.
Wer zahlt, befiehlt. Wer nicht befehlen darf und trotzdem zahlt, wird ausgenommen. So einfach ist das.
Wenn Politiker und Beamten aus liberalen Gründen systematisch zu misstrauen ist, dann liegt es genau an diesem Principal-Agent-Problem: Politiker sind per Definitionem Menschen, die mit fremdem Geld hantieren, die uns beglücken mit Geschenken, für die wir Bürger selber bezahlen, (ohne uns dessen immer bewusst zu sein.)
Deshalb kommt es darauf an, wie nah ein Politiker jenen steht, die Leistung erbringen, wie sehr er von ihrem Wohlwollen abhängt. Politiker werden gewählt – und fühlen sich zu einem gewissen Grad ihren Wählern verpflichtet.
- Ein Zuger Politiker versteht die Zuger und hört auf sie, er kann sich nicht straflos um sie foutieren, selbst als Bundesrat nicht
- Ein Berner dito, was die Berner anbelangt
Die Erfahrung der meisten Berner unterscheidet sich von jener der Zuger.
- Die Berner leben vom fremden Geld – und können davon nicht genug bekommen. Kein Kanton bezieht mehr aus dem Nationalen Finanzausgleich (NFA). Sie sind der grösste Netto-Empfänger (rund 1 Milliarde Franken Jahr für Jahr)
- Zug dagegen hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem der bedeutendsten Netto-Zahler entwickelt (rund 360 Millionen). Wenn es so weitergeht, dürfte es auch absolut bald mehr einzahlen als Zürich, die aktuelle Nummer 1 unter den Geberkantonen (rund 500 Millionen)
Kurz, Bern hat sich in der eidgenössischen Hängematte sehr behaglich eingerichtet, und anscheinend finden selbst die bürgerlichen Politiker im Kanton diesen Aufenthaltsort für angemessen, wenn nicht verdient.
Man schämt sich nicht, man bewegt sich ungern, man blinzelt mit den Augen in der warmen Sonne. Ewige Siesta auf der Kleinen Scheidegg.
Zug dagegen sprüht und brummt. Wer hier lebt, weiss, wie Wertschöpfung geht, man schwitzt, man arbeitet, man liebt den Kapitalismus, weil er Freiheit und Wohlstand bringt. Man glaubt an die eigene Kraft, nicht an die Kraft der übrigen Eidgenossen, die einen auszuhalten haben. Man ist wirtschaftsliberal, weil man wirtschaftsliberal lebt. In der Praxis - nicht in der Theorie.
Das prägt die Menschen, das prägt deren Politiker, das prägt Bundesräte.
- Wenn der Bund mehr Geld ausgibt, dann weiss ein Berner Bundesrat immer: Die anderen Eidgenossen begleichen den grösseren Teil der Rechnung als meine Berner.
- Wogegen ein Zuger Bundesrat die Hitze am intensivsten, wenn der Bund Geld verbrennt, weil er weiss, dass seine Zuger das Brennmaterial anliefern
Die NZZ nörgelt, über die Verteilung der NFA-Gelder entscheide ohnehin nicht der Bundesrat abschliessend, sondern das Parlament.
- Das ist entweder naiv oder weltfremd. Natürlich ist der Bundesrat involviert, wie bei fast allen Beschlüssen im Bund, ausserdem bilden die Nehmer-Kantone auch im Parlament die Mehrheit
- Das Argument greift auch zu kurz. Es geht nicht allein um die Gelder des NFA, sondern um sämtliche Bundeseinnahmen – und aus welchen Kantonen sie stammen
Tatsächlich sticht hier der Kanton Zug noch krasser hervor als im Ranking der Geberkantone.
Wie krass, zeigt ein Gutachten, das die Ökonomen Christoph Schaltegger und Patrick Eugster von der Universität Luzern zuhanden des Kanton Zugs im Jahr 2019 erstellt haben (Megatrends – wie reagieren als Kanton Zug? Wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen für den Kanton Zug, Luzern 2019).
Im Kanton Zug leben bloss 1,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Weil die Zuger aber durchschnittlich viel mehr verdienen, zahlen sie auch einen viel höheren Anteil aller Steuern und Sozialabgaben in der Schweiz:
- Nämlich 2,5 Prozent aller Lohnbeiträge an die AHV und die Arbeitslosenversicherung (ALV)
- Aufgrund der hohen Einkommen und der Progression leisten die Zuger auch viel mehr an die direkte Bundessteuer: 400 Millionen, was 4 Prozent der gesamten Einnahmen entspricht
- Und bei den juristischen Personen ist der Zuger Anteil noch ausgeprägter: 11 Prozent aller Einnahmen
- Hinzu kommen 2 Prozent aller Mehrwertsteuerleistungen
Mit anderen Worten: Wäre Zug nicht so tüchtig, es ginge der gesamten Schweiz weniger gut, wir alle wären ärmer.
Schaltegger/Eugster kommen zum Schluss:
«Der Kanton Zug steuert heute knapp 3 Prozent zur gesamtschweizerischen Wirtschaftsleistung bei. Entspräche das Zuger BIP nur dem nationalen Schnitt, wäre das Schweizer BIP rund 1,3 Prozent tiefer.»
Wie schafft man Wohlstand? Und wie sorgen Politiker dafür, dass sie jenen nicht im Weg stehen, die wissen, wie das geht?
Das lernt man in Zug (oder in Zürich) besser als in Bern.
Die Neue Zürcher Zeitung müsste sich vielleicht Neue Berner Zeitung nennen.
Ganz im Sinne von Huldrych Zwingli, dem grossen Zürcher Reformator, der über Jesus Christus schrieb:
«In einer Futterkrippe wird er geboren, während wir in Daunenfedern schnarchen.»
Ich wünsche Ihnen einen rundum erfreulichen Tag
Markus Somm