Somms Memo
Basel for Bundesrat. Warum Eva Herzog in die Regierung muss.
Die Fakten: Seit 49 Jahren gab es keinen Bundesrat mehr aus Basel-Stadt. SP-Ständerätin Eva Herzog überlegt sich eine Kandidatur.
Warum das wichtig ist: Basel-Stadt ist ein Nettozahler, Basel ist Standort der wichtigsten Exportbranche der Schweiz, Basel gehört in den Bundesrat.
Zuerst ein Disclaimer: Ich kenne Eva Herzog aus meiner Zeit als Chefredaktor der Basler Zeitung, wir kamen nie gut aus. Man grüsste sich grimmig. Sie hat Schwächen, sie hat Stärken (wie ich erstaunlicherweise auch.)
Dennoch halte ich sie für eine hervorragende Kandidatin für den Bundesrat – sollte sie denn überhaupt antreten wollen, wonach es aussieht.
Die ehemalige Regierungsrätin und aktuelle Ständerätin von Basel-Stadt erfüllt formal so gut wie alle Anforderungen, die ihre komplizierte Partei (und die übrige Schweiz) für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga (SP, BE) aufgestellt haben:
- sie ist eine Frau (darauf kommt es ihrer komplizierten Partei an)
- stammt aus der Deutschschweiz (eine lateinische Mehrheit in der Regierung wäre möglich, aber kurios)
- verfügt über Exekutiverfahrung (15 Jahre Regierungsrätin von Basel-Stadt)
- sitzt seit 2020 im Ständerat (meistens werden nur Parlamentarier gewählt)
- Sie gehört der SP an (noch hat die SP Anspruch auf zwei Sitze)
Was ihre Konfession anbelangt – früher ein entscheidendes Kriterium für den Bundesrat – nehme ich an, dass sie keiner Kirche mehr angehört. Da ihr Vater das Bürgerrecht von Wegenstetten im Fricktal besass (schwer katholisch) und ihre Mutter aus Metzerlen im Kanton Solothurn kam (schwer katholisch), dürfte Herzog irgendwann ebenfalls katholisch gewesen sein. Doch inzwischen interessiert das so gut wie niemanden mehr (ausser vielleicht mich, den Historiker). Übrigens ist Herzog nun Bürgerin von Basel-Stadt.
Zu ihren Schwächen:
- Sie gilt als schwierige Chefin. In ihrem Finanzdepartement in Basel wurde sie zwar respektiert, da immer kompetent, aber kaum je geliebt. Streng, ab und zu unversöhnlich, manchmal verletzend im Ton
- Mit Journalisten kann sie es gar nicht – besonders, wenn sie kritisch über sie berichten. Sie ignoriert sie, sie knurrt sie an, sie ist empfindlich wie eine Gazelle. Natürlich muss niemand mit Journalisten auskommen (ich rate davon ab), aber es zeigt eine Unzulänglichkeit: Herzog macht sich zu viel aus Kritik
- Natürlich ist sie eine Sozialdemokratin. Wenn es darauf ankommt, setzt auch sie auf mehr Staat, wenn ein Problem auftaucht, kommt ihr zunächst eine staatliche Lösung in den Sinn, kurz, sie ist eine schwer zu verunsichernde Etatistin, ein Mangel, den sie allerdings mit (fast) allen Sozialdemokraten teilt
Zu ihren Stärken:
- Natürlich ist sie eine Sozialdemokratin – aber eine die sich immerhin traut, gegen den Mainstream ihrer Partei (oder besser: ihrer Führung) anzutreten, wenn sie es für nötig hält. Das hat sie in Basel mehrere Male bewiesen. Das gab Stunk – wie immer, wenn man in dieser intoleranten Partei abweicht. Doch das hat sie mit Fassung getragen
- Das hängt damit zusammen, dass sie es oft auch besser wusste: in ihren fünfzehn Jahren als Finanzdirektorin hat sie gelernt, dass man nur ausgeben kann, was man vorher verdient hat. Das mag ein No-Brainer sein, aber in der SP ist diese Erkenntnis etwa so selten vertreten wie der Glaube an die unbefleckte Empfängnis. Man hält Ökonomie hier für einen Aberglauben
- Herzog ist eine klassische Exekutivpolitikerin. Wenn es darum geht, sich in der Bundesverwaltung durchzusetzen, dann dürfte ihr das nicht schwerfallen, sie führt, sie entscheidet (meistens), sie ist in der Lage, ihre Beamten auf Zack zu bringen
Was aber am meisten für sie spricht, hat wenig mit ihr zu tun. Jedenfalls kann sie wenig dafür: Sie ist Baslerin. Aber wenn schon ihre Partei sachfremde Kriterien anwendet (Frau), dann darf auch ich ein Kriterium vorbringen, das sehr viel mehr mit der Sache zu tun hat.
Eva Herzog ist Baslerin. Das heisst, sie kommt aus einem Kanton, der zu den wenigen, sechs Nettozahlern im Nationalen Finanzausgleich zählt (NFA). Ein Kanton, der den anderen nicht zur Last fällt, sondern für sie sorgt. Solche raren Gebietskörperschaften fehlen im Bundesrat – sobald Ueli Maurer (SVP) als Vertreter des Kantons Zürich, dem grössten Nettozahler, das Gremium verlassen hat.
Ich weiss, die Linke und manche der mit ihr verbündeten Journalisten halten nichts von diesem Kriterium.
Warum sollten sie auch? Jeder Etatist weiss, dass nichts den Etatismus mehr untergräbt als die Einsicht, dass der Staat selbst eigentlich nichts verdient, was nicht vorher in der privaten Wirtschaft entstanden ist. Deshalb ist es bequemer, wenn niemand beim Geldausgeben stört, der weiss, wie man es eingenommen hat.
- Der Staat mag Verdienste haben
- aber Kapitalismus, Wohlstandsvermehrung und Innovation sind nicht dessen Kernkompetenzen
Ironie des Standorts: Eva Herzog ist eine Linke, aber eine, die aus der heimlichen Hochburg der schweizerischen Privatwirtschaft stammt.
Denn die Pharmaindustrie, die mehrheitlich in der Region Basel zuhause ist, hat in den vergangenen zwanzig Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg erlebt. Heute ist sie die mit Abstand bedeutendste Exportbranche der Schweiz:
- 44,5 Prozent aller schweizerischen Exporte sind Pharmaexporte
- Ihre 47 000 Beschäftigten sind im Schnitt fünf Mal produktiver als jene in den übrigen Branchen
- Sie hat in den letzten zehn Jahren mehr als einen Drittel zum Wachstum des gesamtschweizerischen Bruttoinlandsproduktes beigetragen
Mit anderen Worten, es ist hohe Zeit, dass ein Kanton, der über eine so formidable Industrie verfügt, wo also Leute leben, die etwas von Wachstum und Zukunft verstehen, dass ein solcher Kanton wieder einmal im Bundesrat vertreten ist.
Basel for Bundesrat.
Der letzte Basler war übrigens Hans-Peter Tschudi, ebenfalls ein Sozialdemokrat. Er war 1959 gewählt worden, vor 63 Jahren, und trat 1973 zurück, vor 49 Jahren.
Sollte nicht endlich wieder einmal gelten, was Jacob Burckhardt, einer der grössten Basler aller Zeiten, festhielt?
«Der Ruhm, welcher von denen flieht, die ihn suchen, folgt denen nach, welche sich nicht um ihn bemühen.»
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende
Markus Somm