Bundeshaus-Briefing #13

Asyl, Gleichstellung, Banken-Boni

image 10. Juni 2023 um 03:45
Verteidigten den Antrag der Aussenpolitischen Kommission: die Nationalräte Roland Fischer (GLP, LU) und Nicolas Walder (Grüne, GE). (Bild: Keystone)
Verteidigten den Antrag der Aussenpolitischen Kommission: die Nationalräte Roland Fischer (GLP, LU) und Nicolas Walder (Grüne, GE). (Bild: Keystone)
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Das gibt zu reden

Soll die Schweiz die Ukraine mit humanitärer Hilfe im Umfang von fünf Milliarden Franken unterstützen? Darüber beriet der Nationalrat diese Woche. Kaum jemand war ernsthaft dagegen. Doch die entscheidende Frage war plötzlich, wie das bezahlt werden sollte. Die Kommissionsmotion war diesbezüglich offen formuliert – in der Debatte wurde aber klar, was SP, Grüne und Grünliberale vorhaben. Mithilfe der Ukraine soll das Budget der «Internationalen Zusammenarbeit» – früher bekannt unter dem Namen Entwicklungshilfe – um mindestens 500 Millionen pro Jahr aufgestockt werden. Kommissionssprecher Roland Fischer (GLP, LU) nannte das einen «ausserordentlichen Zahlungsbedarf», womit gleich auch noch die Möglichkeit verbunden wäre, das Budget an der Schuldenbremse vorbeizuschmuggeln.
Was dann folgte, war ein Aufbäumen der bürgerlichen Vernunft, die beim Geldausgeben immer noch einen Moment lang daran denkt, woher das Geld des Staates eigentlich kommt. Da Fischer in seinem Votum unklar blieb, musste er nicht weniger als sieben Nachfragen beantworten. In der Mitte befürchtete man, dass die Gelder aus dem Entwicklungshilfebudget für andere Weltregionen abgezogen würden. Bei der SVP eher, dass die Unterstützung mit Schulden oder Steuererhöhungen finanziert werden müssten.
Fischer wand sich mehr oder weniger elegant. Klarheit verschaffte erst die Frage von SVP-Nationalrat Thomas Matter (Quelle):
Wollen Sie die Mehrwertsteuer erhöhen? Aus welchem Topf nehmen Sie die 5 Milliarden Franken – während die Schweizer sparen müssen?
Worauf Roland Fischer die Karten auf den Tisch legte (Quelle):
In meinem Votum habe ich ausgeführt, dass in der Kommission darauf hingewiesen wurde, dass für diesen Unterstützungsbeitrag für die Ukraine ausserordentlicher Zahlungsbedarf beantragt werden soll. Das heisst also, diese Mittel gehen nicht auf Kosten anderer Aufgaben in der Bundesverwaltung.
Damit war allen klar: Wer der Motion zustimmt, sagt auch Ja zu Mehrausgaben in diesem Bereich. Der Antrag sei ein «Trickli» von Links-grün für eine Budgeterhöhung – so ein FDP-Finanzpolitiker. Der Vorgang zeigt: Es gibt in der Schweiz sogar auf Bundesebene noch eine Gesamtschau von sektorieller Politik und Finanzpolitik. Mindestens auf der bürgerlichen Seite wird beim Geldausgeben (ab und zu) daran gedacht, wer dafür aufkommen muss. SVP und FDP lehnten den Vorstoss ab.
Für Grüne, SP, GLP und ein Drittel der Mitte (die Partei war wie immer gespalten, Quelle) gilt, was der frühere französische Präsident François Hollande zu einem milliardenschweren Hilfspaket sagte: Das koste nämlich nichts, es werde vom Staat bezahlt (Quelle). Selbst vielen Franzosen war das zu dumm.

Was nächste Woche aktuell wird

In der dritten Woche der Session veranstaltet das Parlament zwei sogenannte «ausserordentliche Sessionen» (die praktischerweise immer genau dann durchgeführt werden, wenn gerade ordentliche Session ist). Die Büros der Räte haben sybillinisch je links und rechts einen Gefallen erwiesen und einer Debatte über die Asylpolitik zugestimmt, damit die SVP ihr wichtigstes Wahlkampfthema bewirtschaften kann. Im Gegenzug geht es in der zweiten ausserordentlichen Session um die Gleichstellung der Frauen, mit dem links-grün auf den Frauenstreik vom Mittwoch aufmerksam machen will.
Bei der Debatte um das Asylwesen dürfte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider mit der Asylrechtsreform der EU zu punkten versuchen. Seit ihrem Amtsantritt wird die schweizerische Flüchtlingspolitik weitgehend in Brüssel gemacht. Eigene Initiativen der Nachfolgerin von Karin Keller-Sutter sind (bis jetzt) nicht zu erkennen. Die SVP fordert in beiden Räten die Beachtung des geltenden Rechts, Kontrollen an den Grenzen, der Verzicht auf das Programm, mit dem Flüchtlinge aktiv in die Schweiz geholt werden, die Schaffung von Transitzonen und eine Rückführungsoffensive. Im Nationalrat geht es zudem noch um ein Abkommen mit Österreich über die Rückführung, Links-grün will Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg ziehen, ein weiteres Programm prüfen, um Flüchtlinge in die Schweiz zu holen und die Grünliberalen finden, es brauche eine «positiv geprägte Vision einer 10-Millionen-Schweiz».
In der Debatte über die Gleichstellung werden SP und Grüne alles unternehmen, die Behauptung aufrechtzuerhalten, dass die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern noch immer nicht erreicht sei. Dazu dienen zwei gleichlautende Vorstösse. Dies, obwohl mittlerweile Zahlen und Statistiken mindestens in Frage stellen, dass es eine systematische Diskriminierung wegen des Geschlechts gibt. Nachdem einige Kriterien entdeckt worden sind, die lohnrelevant sind und die in der gängigen Statistik nicht untersucht werden, möchte der St. Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler die Auswirkungen des Zivilstandes noch genauer unter die Lupe nehmen.
Links-grün will ausserdem Frauen bei staatlichen Leistungen besserstellen, vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen, oder (wieder einmal) generell die Arbeitszeit verkürzen. Was das mit Gleichstellung zu tun hat? Wir wissen es auch nicht. In der Mitte will man das Potenzial der Familienarbeit nutzen. Bei den Grünliberalen will man – ganz woke – das Gleichstellungsgesetz «präzisieren», damit auch niemand wegen der «Geschlechtsidentität» oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden kann. Diskriminierung ist ein Kampfbegriff geworden.
Auch der Ständerat debattiert am Montag über die Ukraine-Hilfe. Das Resultat dürfte wie im Nationalrat ausfallen. Am Dienstag widmet er sich dem Credit-Suisse-Debakel. Die SVP versucht wieder, zu grosse Banken ganz zu verbieten, oder dann mindestens dafür zu sorgen, dass deren Spitzen «im Interesse der Schweiz» arbeiten. Dazu sollen deren Verwaltungsräte mehrheitlich aus Schweizern mit Wohnsitz in der Schweiz bestehen. Der Schaffhauser Thomas Minder möchte auch mehr regulieren, überlässt die Sache dem Bund.
Und dann kommt es zur grossen Debatte über die «Banken-Boni»: Der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark will die Vergütung bei den grossen Banken auf 3-5 Millionen Franken einschränken. Er dürfte von links Unterstützung erhalten. Diese ist mit einem ähnlichen Vorstoss des Genfer Ständerates Carlo Sommaruga selber am Start. Thomas Minder will eine gesetzliche Regelung der Boni erreichen, auch der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser hat dazu einen Vorstoss deponiert. Von den Ideen kommt nur etwas durch, wenn sich eine Koalition der Regulierungswilligen ergibt. Dazu braucht es im Ständerat neben SP und Grünen vor allem die FDP oder die Mitte. Beides ist unsicher.
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SVP gegen «Banken-Boni»: Ständerat Jakob Stark (TG). (Bild: Keystone)

Zu achten ist auf:

  • Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider: Ihre Containersiedlungen auf Armeeplätzen hatten diese Woche einen schweren Stand. Die Asyldebatten dürften noch schwieriger werden. Wie lange kann sie auf die EU verweisen und selbst untätig bleiben?
  • Bundesrat Guy Parmelin: Bei der Debatte über die Gleichstellung hat Guy Parmelin die Chance, die statistischen Probleme der behaupteten Lohndiskriminierung aufzuzeigen. Hat er den Mut, dem links-grünen Narrativ entgegenzutreten?
  • Bürgerliche Ständeräte: Wer macht mit beim fröhlichen Regulieren der Boni? Und wer glaubt tatsächlich, dass dies ein Problem löst?

Was sonst noch läuft

Am Montag berät der Ständerat eine Parlamentarische Initiative von GLP-Präsident Jürg Grossen, die der staatlichen Bevormundung von Selbständigen ein Ende und der freien Berufswahl wieder mehr Beachtung schenken will. Der vorgesehene Abbau von Bürokratie scheiterte im Ständerat schon einmal. Die vorberatende Kommission ist auch jetzt wieder dagegen, angeblich ausgerechnet wegen den beiden FDP-Ständeräten Johanna Gapany (FR) und Damian Müller (LU). Profitieren würden nicht nur neue Plattformdienste wie Uber oder Kurierdienste, sondern alle Selbständigen.
Ebenfalls am Montag entscheidet der Ständerat über eine Parlamentarische Initiative von SP-Nationalrätin Samira Marti (BL). Heute kann die Aufenthalts- oder die Niederlassungsbewilligung wegen Sozialhilfebezug aufgehoben werden. Das soll in Zukunft nicht mehr möglich sein. Armut sei kein Verbrechen, fand auch die Mehrheit im Nationalrat. Im Ständerat dürfte es schwieriger werden, weil die Ständeräte sich bewusst sind, dass niemand ins Gefängnis muss – sondern nur seinen Aufenthaltstitel verliert.
Am Mittwoch werden die Büros beider Räte die vorgeschlagenen Ständerats- und Nationalratsmitglieder in die PUK zum Credit-Suisse-Debakel wählen. Anschliessend wählen die beiden Büros gemeinsam den Präsidenten der Kommission.
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Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – bis nächsten Samstag (oder Freitag)!

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