Bundeshaus-Briefing #4
Migrationspakt, Güterverkehr, Steuern, Credit Suisse
Das gab zu reden: Bundesrätin Karin Keller-Suters Vorschlag, den Bundesanteil für die AHV zu kürzen. (Bild: Keystone)
Willkommen zum Bundeshaus-Briefing Nummer 4 des Nebelspalters. Hier lesen Sie, was nächste Woche aktuell ist. Das Bundeshaus-Briefing ist vorerst kostenlos – es freut mich aber natürlich, wenn Sie ein Nebelspalter.ch-Abo abschliessen – mindestens zur Probe (30 Tage kostenlos).
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Das gibt zu reden
Auch diese Woche dominierte zuerst das Credit Suisse-Debakel die Medien. Doch mit der Berufung von Sergio Ermotti an die Spitze der «Monsterbank» UBS am Dienstag ist das Thema für viele in Bern wie abgehackt. «Der Tessiner wird das schon schaffen», heisst es (fast) überall.
Ab Mittwoch ging es deshalb wieder um «normale» Schweizer Politik. Tamedia berichtete, Bundesrätin Karin Keller-Sutter wolle «die AHV-Gelder kürzen» (Link). Was die Redaktion auf den ersten Blick wie eine Rentenkürzung ausschauen liess, war viel weniger spektakulär: Die Finanzministerin beantragte, den Bundesanteil an der AHV, also die Querfinanzierung aus Steuergeldern, um 0,3 Prozentpunkte zu senken. Ohne diese Finanzierung schreibt das Umlageverfahren bereits heute rund eine Milliarde Franken Verlust – pro Monat.
Der Vorschlag ist brisant, da er erst in der sogenannten «Staf-Vorlage» angehoben worden war, dem eigentlich nicht zulässigen Päckli zwischen einer Reform der Unternehmensbesteuerung und mehr Geld für die AHV. Der Kommentar von links wie rechts liess nicht lange auf sich warten:
Sarah Wyss, SP-Nationalrätin aus Basel-Stadt twitterte (Quelle):
Roger Köppel, SVP-Nationalrat aus Zürich, sieht es genau so (Quelle):
Gleichzeitig ist der Vorschlag aber auch nicht revolutionär. Keller-Sutter tut, was eine Finanzministerin tun muss: Vorschläge unterbreiten, damit die Bundesfinanzen im Lot, sprich innerhalb der Vorgaben der Schuldenbremse liegen. Wenn ihr Bundesratskollege Alain Berset keine Lust auf die nächste, sozialpolitische AHV-Reform hat, bleiben nur noch finanzpolitische Möglichkeiten.
Ach ja: Da war noch der Bundesratsbeschluss, «Eckwerte» für ein Verhandlungsmandat mit der EU auszuarbeiten. Dass es dazu keine Medienkonferenz gab, sagt alles über das Vorhaben aus. Bundesrat Ignazio Cassis ist vor den Europhilen in seinem Departement (und anderswo) eingeknickt und hatte keine Lust, den Entscheid zu begründen. Sein Plan ist zum Scheitern verurteilt.
Was nächste Woche aktuell wird
Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates behandelt am Montag den Migrationspakt der UNO. Der Bundesrat wollte diesen eigentlich schon 2018 unterzeichnen, liess es dann aber unter dem Druck des Parlamentes sein. Das Parlament fühlte sich von der Exekutive hintergangen und der Inhalt des Paktes sorgte für Stirnrunzeln. FDP-Aussenpolitikerin Doris Fiala (FDP, ZH) sagte, der Pakt sei «gefährlich», weil er eine «Erwartungshaltung wecke», was die Schweiz alles machen müsste (Quelle). Der Bundesrat betonte, der Pakt sei nicht verbindliches «Soft-Law», weshalb er das ohne Parlament unterzeichnen dürfe. SVP, FDP und Mitte im National- und Ständerat zwangen den Bundesrat, das Geschäft dem Parlament zu unterbreiten (damaliges Abstimmungsprotokoll NR).
Gegnerin des Migrationspaktes der UNO: FDP-Aussenpolitikerin Doris Fiuala (Bild_ Parlament.ch)
Anschliessend setzten die beiden aussenpolitischen Kommissionen Subkommissionen ein, um die demokratische Abstützung von «Soft-Law» zu bearbeiten. Diese Kommissionen gebaren nach vier Jahren einen zahnlosen Vorstoss (gleichlautend auch im SR eingereicht). Der Bundesrat unterbreitete 2021 den Migrationspakt pflichtschuldig dem Parlament als Bundesbeschluss. Die Kritik damals wie heute: Der Pakt gehe weiter als das Asylrecht und greife in die Souveränität der Schweiz ein (Link). Nach dem Verhandlungsmandat mit der EU das zweite aussenpolitische Thema, das der FDP im Wahlkampf mindestens Kopfzerbrechen bereiten dürfte.
In der Wirtschaftskommission des Nationalrates diskutiert, ob E-Zigaretten besteuert werden sollen. Das war bis zum April 2012 schon einmal der Fall. Das Parlament verlangte dann die Streichung der Steuer. Jetzt soll eine Steuer wieder eingeführt werden, wegen des «geringen Schädlichkeitspotenzials« allerdings tiefer. Der Bund steckt im Dilemma: Er möchte die Steuereinnahmen, aber er möchte auch, dass E-Zigaretten als Ausstiegsmöglichkeit vom Zigarettenkonsum preislich attraktiv bleiben.
In der gleichen Kommission geht es um eine Teilrevision der Mehrwertsteuer. Wer nun hofft, dass die endlos komplizierte Unterscheidung von steuerpflichtigen und steuerbefreiten Gütern- und Dienstleistungen oder die verschiedenen Sätze vereinfacht werden, den muss ich enttäuschen. Die Vorlage bringt zwar für KMU eine kleine Entlastung, dafür sollen Online-Versandplattformen der Mehrwertsteuer unterstellt werden.
Subventionen verlängern und verlängern
Die Verkehrskommission des Ständerates beugt sich über das Problemkind Güterverkehr. Ein «letztes Mal» sollen die Subventionen für die «rollende Landstrasse» bis Ende 2026 weitergeführt werden. Der Nationalrat dehnte den Beschluss auf Ende 2028 aus. Auch hier dürfte aus einer befristeten Anschubfinanzierung irgendwann eine dauerhafte Subvention werden, weil die Schiene beim Transport auf bestimmten Strecken einfach nicht mit der Strasse mithalten kann.
Die Verkehrskommission ist auch für die Kommunikation zuständig. Sie behandelt eine Parlamentarische Initiative von Kurt Fluri (FDP, SO), welche der SRG vorschreiben will, eine Branchenvereinbarung mit der unabhängigen audiovisuellen Industrie zu unterzeichnen. Die Kommission hört am Dienstag betroffene Kreise an. Grundsätzlich ist sie gegenüber dem Vorstoss kritisch eingestellt. Die SRG hat alles Interesse daran, dass nicht genau definiert wird, was sie zu tun hat – dann kann sie eigentlich alles tun.
Ab Donnerstag ist das politische Bern am Ostereier suchen. Falls eines gefunden wird, lesen Sie es auf Nebelspalter.ch (Probeabo hier lösen).
Nationalrat Kurt Fluri (FDP, SO) in der Wintersession im Nationalrat. (Bild: Keystone)
Zu achten ist auf:
- Bundesrat Ignazio Cassis: Vertritt er beim Migrationspakt die Haltung der Mehrheit seiner Partei oder die Haltung der Mehrheit seiner Diplomaten?
- Die Kritiker des Migrationspaktes von 2018: Lehnen sie den Pakt ab, obwohl er nicht verbindliches «Soft-Law» darstellt, aber sowohl in der Schweiz wie international Erwartungen weckt? Sind sie bereit, auch andere angeblich nicht verbindliche internationale Verträge Parlament und (noch besser) dem Volk vor zu legen?
Was sonst noch läuft
- Die Sammlung für das Referendum gegen die BVG-Reform begann gestern Freitag. Es darf damit gerechnet werden, dass die 50'000 Unterschriften rasch zusammen kommen. Die Abstimmung findet jedoch wegen der anstehenden eidgenössischen Wahlen erst am 03. März 2024 statt.
- Eine Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» wurde ebenfalls gestartet. 16 Verbände und Organisationen der Leistungserbringer fordern Massnahmen, damit auch in Krisen die Versorgung mit Medikamenten und Material für medizinische Labore gewährleistet bleibt.
- Credit Suisse-Debakel: Am Montag wollen die Jungfreisinnigen Schweiz Ideen für eine Initiative vorstellen, mit der zukünftige Bankenkrisen verhindert und Verantwortliche in den Chefetagen an die Kasse kommen sollen.
- Credit Suisse-Debakel 2: Am Dienstag findet die Generalversammlung der Credit Suisse statt. Das dürfte ein langer Tag für Axel Lehmann und seinen Verwaltungsrat werden.
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Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – bis nächsten Samstag!