André Citroën war mehr als ein genialer Konstrukteur
Die Gangsterlimousine Traction Avant, der erste vorne Angetriebene.
1878 geboren, erwarb André Citroën mit 22 Jahren während einer Reise durch Polen (seine Mutter war Polin) das Patent zur Herstellung von schräg geschliffenen Winkelzahnrädern, was später zum Firmenemblem mit dem Doppelwinkel führte. Zuvor besuchte der Sohn eines Belgiers 1912 in Detroit den Fliessband-Pionier Henry Ford und schaffte es während dem ersten Weltkrieg, 23 Mio. Schnellgranaten zu produzieren. Damit erarbeitete er sich das Startkapital für den Bau von Automobilen. 1919 wurde der Typ A zum ersten europäischen Auto in Grossserie, ausgestattet mit einem elektrischem Anlasser (statt Drehkurbel). Der seit 1914 Verheiratete war zum Konstrukteur gereift, machte sich aber rasch auch mit neuen Vertriebsmethoden einen Namen. So erfand er 1920 den Austausch von Ersatzteilen, ein Jahr später das Leasing und ein Leihwagen-System. 1927 bekamen seine Mitarbeiter als erste in Europa einen 13. Monatslohn, und ab 1929 gewährte Citroën auf den Neuwagen ein Jahr Garantie. Der in Paris Geborene war aber nicht bloss erfinderischer Konstrukteur und ein Vertriebsgenie, sondern verstand sich ebenso auf Marketing: 1933 fuhr sein 8 CV in Monthlery 136 000 km mit durchschnittlich 104 km/h in 54 Tagen: Weltrekord. Und er rekrutierte die besten Leute. 1934 verliess der erste vorne angetriebene, auf einer selbsttragenden Ganzstahlkarosse aufbauende Traction Avant mit Gürtelreifen von Michelin das Werk. Wegen der guten Strassenlage war der grosse Citroën bei Bankräubern sehr beliebt.
Der Ruin
Die «Traction» wurde von André Lefèbvre entwickelt und von Flaminio Bertoni gezeichnet. Die hohen Entwicklungskosten führten zum Ruin der Unternehmung. Der Gründer verkaufte die Firma 1935 an Michelin, dem grössten Gläubiger. Der Verwaltungsrat unterzeichnete bereits 1934 ein Vereinbarungsprotokoll Michelin-Citroën. André Citroën starb ein Jahr später an einem bösartigen Tumor. Noch vor dem zweiten Weltkrieg angeschobene neue Fahrzeugklassen erlebte der Firmengründer nicht mehr. Sein Geist aber schwebte weiter durch die Entwicklungsabteilung am Seine-Ufer in Paris.
Innovation im Transportsegment: das leichte Nutzfahrzeug Type H.
Neuland
Mit dem ersten leichten Nutzfahrzeug, dem zur Legende gereiften Type H, betraten die Franzosen wiederum Neuland, selbstverständlich mit Frontantrieb. Dann, antipodisch zu den prestige-heischenden Nachkriegsautos aus den USA und Grossbritannien, das Frugal-Vehikel 2 CV 1948; wie Henry Fords Tin Lizzy, für die Farmer respektive Bauern gedacht. Citroën-Direktor Pierre-Jules Boulanger erteilte 1934 den Auftrag, einen Kleinwagen zu entwickeln. Die Anforderungen an den Konstrukteur André Lefèbvre lauteten angeblich: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln, mindestens 60 km/h schnell ist, und drei Liter Benzin auf 100 km verbraucht. Es soll schlechte Wege bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass ein Fahranfänger problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muss so gefedert sein, dass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Und schließlich muss das Auto wesentlich billiger sein als unser ‚Traction Avant‘. Auf das Aussehen des Wagens kommt es dabei nicht an.“ Mission erfüllt, wie man heute weiss. Den 2CV lernen Sie unter Nebelspalter.ch näher kennen. 1955 der Citroën DS; die revolutionäre Limousine mit Hydropneumatik haben wir Online kostenlos unter «Fahren wie Gott in Frankreich» näher beschrieben.
Der Döschwo hielt von 1948 bis 1988 durch, im Bild ein Prototyp.
Leider vergessen
1970 erschien der völlig unterschätzte GS, 1974 der DS-Nachfolger CX. Vergessen wir den sehr populären Minivan Xsara Picasso (1999) nicht, sowie den ansatzweise als Erbe des Döschwo gedachten Cactus 2014. Sie alle und jüngere stehen dafür, dass Andrés Erfindergeist trotz unternehmerischen Schlaglöchern weiter lebt. 1976 wurde die Holding PSA mit Peugeot und Citroën gegründet und diese 2021 in den Verbund PSA mit Fiat/Chrysler Automobiles zur Stellantis-Gruppe zusammengeführt. Citroën gilt als Perle unter den 14 vertriebenen Marken.
Annäherung an den legendären 2 CV: Cactus von 2014.