Printausgabe
Alain Berset wurde missbraucht
Ivo Götschi
Bundespräsident Alain Berset ist nicht etwa Täter, sondern das Opfer seines geschwätzigen Umfelds. Das zeigt unsere Chronologie der letzten drei Jahre.
Es war höchste Zeit, dass Alain Berset im vergangenen Jahr seinen Sprecher Peter Lauener loswurde. Dieser hatte eine unangenehme Eigendynamik entwickelt und einfach von sich aus Medien seiner Wahl über Interna informiert. Berset selbst war dabei immer völlig ahnungslos, ihn trifft keine Schuld. Und das war nicht das erste Mal, dass andere seine Macht missbrauchten. Immer wieder hat sein Umfeld ohne sein Wissen einfach gemacht, was es wollte. Und er war danach gezwungen, nachzuziehen.
Mehr Satire? Hier gehts zur aktuellen PrintausgabeEnde 2020 beispielsweise wollte Alain Bersets Frau unbedingt verhindern, dass Weihnachten wieder ausartet. Der Gedanke war ihr unerträglich, diesen unsäglichen angeheirateten Onkel und seine verfressene Tochter zum Weihnachtsfest zu empfangen. Also rief sie beim «Blick» an und erzählte diesem, ihr Mann wolle an den Festtagen wegen Covid-19 eine strenge Limitierung der Gäste durchsetzen. Die Zeitung schrieb das pflichtschuldig nieder, und Berset sah sich darauf genötigt, politisch nachzuziehen.
«Er wolle generelle Regeln für die Festtage etablieren.»
Das sagte er, nachdem es der «Blick» bereits angekündigt hatte.
Die Kinder von Berset witterten daraufhin eine Chance. Als sie keine Lust hatten auf die sonntägliche Wanderung, schrieben sie dem «Blick» eine E-Mail und kündigten an, dass Papa bald einen Aufruf lancieren würde, das Haus möglichst nicht mehr zu verlassen. Die Redaktion machte das zur Schlagzeile, und Berset blieb danach nichts übrig, als vor die Medien zu treten:
«Bleiben Sie zu Hause!»
Damit war der Sonntag vor der Playstation gerettet. Aber schon bald drohte weiteres Ungemach: Sie sollten demnächst das Wochenende bei den Grosseltern verbringen – der pure Horror. Warum sie abgeschoben werden sollten, war unklar, Papa Berset murmelte nur etwas von «ich bin dann geschäftlich im Schwarzwald». Der Nachwuchs musste handeln, kontaktierte wieder den «Blick» und kurz darauf sah sich Alain Berset vor den Medien zu folgender Aussage genötigt:
«Schicken Sie Ihre Kinder nicht zu den Grosseltern, das ist sehr wichtig.»
Ein intelligenter Mann wie Berset durchschaut solche Mechanismen natürlich früher oder später. Um sich an seinen Kindern zu rächen, liess er sein Departement die Gefahr durch ausgelassene Stimmung am Wochenende untersuchen und verkündete schon bald:
«Die Partyszene muss verstehen, dass sie nun etwas anderes tun muss, als Party zu machen.»
Die Clubs wurden geschlossen. Seine Kinder kochten. Nun mussten sie den Samstag in diesem langweiligen Freiburger Vorort verbringen, statt sich mit den Kollegen eine gepflegte Tüte zu basteln.
Berset hatte nun Blut geleckt. So einfach war es, die Medien zu instrumentalisieren? Und er konnte das tun, ohne von der Verwandtschaft missbraucht zu werden? Als die ersten Kritiker kamen und die Schweiz als Diktatur bezeichneten, bat er seinen Kollegen Guy Parmelin daher, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Und der tat das auch. Am 17. Februar 2021 stellte sich der Kollege vor die Medien und fragte:
«Sieht Berset wirklich wie ein Diktator aus?»
Die Frage war offenbar rhetorisch gemeint, es gab keine repräsentative Umfrage darüber.
Bersets neue Strategie funktionierte leider nicht immer. Es gab einfach zu viele Ereignisse, bei denen er die Medien nicht vorab informieren wollte, sondern lieber gar nicht. Schuld war sein gedrängter Terminplan. Denn dieses Amt ist einfach zu viel für einen einzelnen Mann. Er weiss ja manchmal selbst nicht mehr vor lauter Stress, ob er sich gerade in einem Privatflugzeug über einem Nachbarstaat oder in einer Staatslimousine auf dem Weg in den Schwarzwald befindet, wo er sich höchstpersönlich um die Förderung einer jungen Musikerin kümmern will. Bundesrat ist ein gnadenloser Job.