Somms Memo

Alain Berset, neuer Finanzminister? Das müssen FDP und SVP um jeden Preis vereiteln.

image 25. November 2022 um 11:00
Alain Berset, Überflieger und Privatflieger.
Alain Berset, Überflieger und Privatflieger.
Die Fakten: Bald werden die Departemente neu verteilt. Gerüchte kursieren: Amherd dränge ins Uvek, Keller-Sutter in die Finanzen. Und Berset? Will für immer bleiben. Warum das wichtig ist: Persönliche Befindlichkeiten sollten nicht darüber entscheiden, wer in Bern wo regiert. FDP und SVP haben es in der Hand. Solange die Hand nicht zittert vor Angst.
Das Staatssekretariat für Migration, SEM, rechnet mit 22 000 neuen Asylgesuchen bis Ende Jahr. Gleichzeitig hat die Schweiz inzwischen rund 60 000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.
  • So viele Asylgesuche gab es seit 2016 nicht mehr
  • Und so viele Kriegsflüchtlinge sowieso nicht. Das letzte Mal, da ein solcher Zustrom zu vermelden war, herrschte Bürgerkrieg in Jugoslawien. Das war in den 1990er Jahren

Kurz, das Haus steht in Flammen. Ist das eine gute Zeit für Karin Keller-Sutter (FDP) das EJPD zu verlassen? Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ist für die Asylpolitik zuständig. Doch seit Wochen hört man in Bern, die St. Gallerin möchte gerne ins Finanzdepartement wechseln. Rette sich, wer kann? Gieri Cavelty, ausgesprochen sozialdemokratischer Chefredaktor des ebenso vorwiegend sozialdemokratischen SonntagsBlicks macht sich deshalb Sorgen – ums Land natürlich: «Was es da ganz bestimmt nicht verträgt, ist parteipolitisch motivierte Polemik. Für den inneren Frieden unseres Landes wäre es wichtig, wenn Keller-Sutter ihre persönlichen Vorlieben hintanstellen und in ihrem angestammten Departement verbleiben würde». Was Cavelty nicht sagt, aber in Bern die roten Spatzen von den Dächern pfeifen: Die Linke setzt derzeit alles in Bewegung, um Keller-Sutter das EFD vorzuenthalten, weil ein anderer Linker, ein wichtiger Linker, ebenfalls Finanzminister werden möchte. Alain Berset (SP), heute Vorsteher des Innendepartements (EDI), ist es dort ein bisschen langweilig geworden.
  • Was die gigantischen Baustellen AHV, zweite Säule und Gesundheitswesen anbelangt, hat er in zehn Jahren Amtszeit kaum etwas erreicht. Die Baustellen erinnern an den Berliner Flughafen, der nie fertig wurde. Ist er inzwischen eröffnet?
  • Corona, was Berset sehr viel Arbeit, aber auch Aufmerksamkeit und Ruhm verschafft hat, ist vorbei – selbst wenn die Beamten des BAG alles daransetzen, dass wir glauben, es sei anders. Berset hat hier nichts mehr zu gewinnen
  • Berset ist dieses Jahr 50 geworden. Was will er mit den übrigen 15 Jahren Arbeitsleben noch anfangen? Einen ehemaligen Bundesrat, so sagte mir ein Schweizer Unternehmer neulich, kann man für nichts mehr gebrauchen. Sie haben sich an eine historische Bedeutung gewöhnt, die sie selbst zum historischen Artefakt macht. Wiedereinsteiger? Niemand schätzt einen Mitarbeiter, der glaubt, man müsse ihm die Aktentasche ins WC mittragen
Mit anderen Worten, es steht Berset ein trostloses Leben als Rentner zwischen Memoiren und Privatflugzeug bevor. Da bleibt er doch lieber Bundesrat. Für weitere fünf Jahre oder gar neun Jahre? Berset Éternel.
image
Am häufigsten hört man in Bern diese Szenarien
  • Berset, der Amtsälteste, wird das Finanzdepartement für sich verlangen, und weil manche Bundesräte sich vor seiner rhetorischen Naturgewalt in Acht nehmen, wird er es auch bekommen
  • Berset strebt einen Wechsel ins Aussenministerium an. Drängt sich das nicht auf? Immerhin hat er seinerzeit den Concours, das Aufnahmeverfahren des EDA für Diplomaten, bestanden. Er spricht Fremdsprachen, er bewegt sich formschön auf jedem Parkett, viele Flüge, viele Auslandaufenthalte, another lease of life, ein neues, gutes Leben

Da es allerdings den Anschein macht, als ob Ignazio Cassis, der aktuelle Vorsteher des EDA, sein Amt nicht räumen möchte, haben sich die linken Standortberater für Berset dieses Ziel vorgenommen: das Finanzdepartement. Was Berset zusteht, soll Keller-Sutter nie erhalten. Deshalb macht sich Gieri Cavelty nun plötzlich Gedanken um die Zukunft unserer Asylpolitik – jenseits der Parteipolitik. Wie könnte es anders sein? Er muss es wissen, er war Mitarbeiter der sozialdemokratischen Bundesrätin Simonetta Sommaruga, genauer: Kommunikationschef im SEM. Wenn man allerdings die Leistungsbilanz dieser beiden Verantwortungsträger betrachtet, fragt man sich, warum Cavelty meint, Keller-Sutter beraten zu müssen. Unter keinem Bundesrat seit 2001 waren die Asylgesuche je so stark angestiegen wie in jenen Jahren, da Sommaruga das EJPD führte:
  • 2015 waren es 40 000 Asylgesuche, zugegeben das war jenes Jahr, da Angela Merkel meinte, für ganz Europa Asylpolitik betreiben zu dürfen («Wir schaffen das!» Und es kamen eine Million neue Einwohner nach Deutschland)
  • Aber auch in den übrigen Jahren ihrer Amtszeit im EJPD verharrten die Asylgesuche stets auf höchstem Niveau
image
Erst Keller-Sutter brach den Trend. Seit 2018, da sie von Sommaruga übernommen hatte, kamen die Asylgesuche kaum mehr je über 15 000. Nur Christoph Blocher (SVP) erzielte in dieser Hinsicht noch bessere Resultate. Er legte vor, wie man es macht. Wenn auch 2022 für Keller-Sutter keine beeindruckende Bilanz darstellt, und man sich fragt, warum wir ausgerechnet in einer Zeit, da wir uns so vorbildlich der ukrainischen Flüchtlinge angenommen haben, noch Leute aus Afghanistan oder der Türkei retten, bleibt es dabei: Keller-Sutter hat ihre Aufgabe gut erfüllt. Das Finanzdepartement braucht eine neue Vorsteherin, und zwar eine bürgerliche, am besten eine freisinnige. Das Gleiche gilt für das Uvek, – auf das, so vernimmt man, Viola Amherd (Mitte) ein Auge geworfen haben soll. Ihr werden Wechselwünsche nachgesagt. Das müssen FDP und SVP um jeden Preis verhindern. Amherd, die sich stets bestens mit Doris Leuthard (CVP/Mitte) verstanden hat, wird nie und nimmer in der Lage sein, die toxische Energiestrategie zu entsorgen. Das muss die SVP tun, indem sie das Uvek übernimmt. Dafür hat auch die FDP zu sorgen. Es geht um die Macht in Bern. Nicht darum, ob Alain Berset ein abwechslungsreiches Berufsleben zusteht. So weit wie Otto von Bismarck müssen wir ja nicht denken. Der ehemalige deutsche Reichskanzler sagte zum Thema Macht: «Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muss man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden soll.» Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende Markus Somm

#WEITERE THEMEN

image
Bundeszahlen belegen

Lohnunterschiede hauptsächlich bei verheirateten Frauen

17.3.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR